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Hugo Friedländer: Interessante Kriminal-Prozesse von kulturhistorischer Bedeutung, Band 2

Akt des Spitzeltums sein. – Vors.: Sie haben gehört, daß nach den angestellten Recherchen ein persönlicher Racheakt ausgeschlossen erscheint. Was verstehen Sie unter „Spitzeltum“? – Koschemann: Daß etwas provoziert wird, um Haussuchungen zu veranlassen, Ausnahmegesetze zu begründen und die Zügel straffer in die Hand zu bekommen. – Vors.: Was hat das Spitzeltum mit dieser Kiste zu tun? – Koschemann: Die Kiste kann nur ein Laie gemacht haben. – Vors.: Sind denn alle Laien „Spitzel“? Sind denn alle Personen, die im Zuschauerraum sitzen und doch wohl Laien sind, „Spitzel“? – Angekl. K.: Unter Spitzel ist verschiedenes zu verstehen, zum Teil sind es Agents provocateurs, die in Versammlungen erscheinen und verschwinden, nachdem sie Leute aufgeputscht haben. Ich erinnere an den Lütticher Anarchistenprozeß, wo ein Mann, namens Ungern-Stemberg sich als gekauftes Individuum entpuppte, der unschuldige Leute hineinlegen sollte. – Vors.: Von wem sollen solche Leute gekauft sein? – Koschemann: Von der Polizeibehörde selbst. In Zürich haben Agenten einem unschuldigen Menschen Sprengstoff ins Haus geschafft, sie waren aber beobachtet worden, und der Sprengstoff wurde schnell beseitigt. Unmittelbar darauf erschien die Polizei auf der Bildfläche, um dort eine Haussuchung abzuhalten. Bei der Kiste handelt es sich sicher nicht um eine politische Sache; bei irgend welcher ernstlichen Absicht wäre es doch sehr leicht gewesen, ein Auslaufen der Flüssigkeit zu verhindern. – Kriminalkommissar Bösel: Gegenüber der Behauptung, daß die Polizei sich Leute kaufe zu solchen Attentaten‚ erkläre ich hier unter ausdrücklicher Berufung auf meinen Eid: Ich habe die Absendung der Kiste nicht veranlaßt und auch nichts ermittelt, was darauf schließen ließe, daß das Attentat bezahlte Arbeit wäre. – Staatsanwalt Kanzow: Wenn es Polizeiarbeit wäre, würde doch die Polizei sofort mit der Behauptung gekommen sein: „Seht, hier ist ein anarchistisches Attentat!“ – Koschemann: Das ist ja auch sofort geschehen. – Vors.: Sie haben bei einer Vernehmunug in der

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Hugo Friedländer: Interessante Kriminal-Prozesse von kulturhistorischer Bedeutung, Band 2. Hermann Barsdorf, Berlin 1911, Seite 166. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Friedlaender-Interessante_Kriminal-Prozesse-Band_2_(1911).djvu/174&oldid=- (Version vom 7.1.2019)