Zum Inhalt springen

Seite:Friedlaender-Interessante Kriminal-Prozesse-Band 2 (1911).djvu/175

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Hugo Friedländer: Interessante Kriminal-Prozesse von kulturhistorischer Bedeutung, Band 2

Voruntersuchung auch einmal gesagt, das germanische Blut sei ruhiger, als das romanische, letzteres sei zu solchem persönlichen Racheakte leichter geneigt. – Koschemann: Das ist allerdings meine Ansicht. – Kriminalkommissar Bösel gab hierauf einen Überblick über den Gang der anarchistischen Bewegung in Berlin. Diese erhielt in den Jahren 1893/94 einen besonderen Aufschwung durch die Schandtaten eines Ravachol‚ Vaillant u. a. Letztere übten ihren unverkennbaren Einfluß auch auf die Berliner Anarchisten aus, die zu dem Gedanken kamen, sie müßten doch nun auch einmal zeigen, daß sie da sind. Namentlich zeigten die jüngeren Anarchisten die Verquickung ihrer Neigung zum politischen Radikalismus und zum gemeinen Verbrechen. Sie begeisterten sich an dem Gedanken der Gewalttat. Daß dies nicht bloß Geschwätz war, zeigte ein Vorfall, dessen Bedeutung s. Z. dem Publikum nicht recht klar geworden war. Ein gewisser Vormälcher ging mit einem Mann namens Moldenauer nach den Müggelbergen und machte Sprengversuche, worauf sie verunglückten. Eine Strafverfolgung konnte damals nicht eintreten, weil es an einer gesetzlichen Handhabe fehlte, da die Leute behaupteten, daß sie im wesentlichen nur Pulver verwendet hätten. Der eine der Verunglückten ist gestorben. Vormälcher ist Mitglied des anarchistischen Diskutierklubs bei Späth gewesen. Die Anarchisten hatten zwei Sammelpunkte: der eine war das Laubenterrain in der Petersburger Straße, und namentlich die Laube der Florentine Weber, der andere das Späthsche Schanklokal in der Georgenkirch-Straße. Zu erinnern sei auch an den Zusammenstoß, den die Anarchisten Schewe und Dräger mit den Schutzleuten Busse und Finke hatten und wobei auf die Schutzleute geschossen wurde. Finke hat infolge der dabei erlittenen Verletzung pensioniert werden müssen. Dieser Vorfall gab Anlaß zu Haussuchungen bei bekannten Anhängern der Propaganda der Tat, die die Angaben durchaus bestätigten, wonach die Leute sich auf Gewalttaten vorbereiteten. Die hohen Strafen, die über Schewe und Dräger ausgesprochen

Empfohlene Zitierweise:
Hugo Friedländer: Interessante Kriminal-Prozesse von kulturhistorischer Bedeutung, Band 2. Hermann Barsdorf, Berlin 1911, Seite 167. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Friedlaender-Interessante_Kriminal-Prozesse-Band_2_(1911).djvu/175&oldid=- (Version vom 31.7.2018)