Seite:Anfangsgründe der Mathematik I 006.jpg

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so bald man die Erklärungen ansiehet, daraus sie fliessen. Man kan demnach nicht eher versichert seyn, ob der Grundsatz wahr sey oder nicht, bis man die Möglichkeit der Erklärungen untersuchet hat. Sonst weiß man nichts mehr, als daß die Grundsätze richtig sind, woferne die Erklärungen möglich sind. Man siehet hieraus zugleich die Ursache, warum Tschirnhausen die Grundsätze als solche Sätze beschrieben, die durch eine Erklärung begriffen werden (§. 16).

§. 19. Mit den Grundsätzen werden unterweilen die Erfahrungen vermenget. Man nennet aber eine Erfahrung dasjenige, welches man erkennet, wenn man auf seine Empfindungen Acht hat. Z. E. ich sehe, daß, wenn ein Licht angezündet wird, alle Dinge, die um mich sind, sichtbar werden; diese Erkenntniß wird eine Erfahrung genennet. Und demnach sind die Erfahrungen Sätze von einzeln Dingen; weil ich nichts als einzelne Dinge empfinden kan.

§. 20. Wenn man verschiedene Erklärungen gegeneinander hält, und daraus schliesset, was durch einzelne Betrachtungen zu erkennen unmöglich war, so nennet man solches einen Lehrsatz (Theorema). Z. E. wenn man in der Geometrie einen Triangel mit einem Parallelogrammo vergleichet, welches mit ihm einerley Grund-Linie und Höhe hat, und in dieser Vergleichung theils unmittelbar aus den Erklärungen dieser beiden Flächen, theils aus andern Eigenschaften derselben, die aus ihren Erklärungen

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Christian Wolff: Auszug aus den Anfangs-Gründen aller Mathematischen Wissenschaften. Halle: Rengerische Buchhandlung, 1772, Seite 6. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Anfangsgr%C3%BCnde_der_Mathematik_I_006.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)