Seite:Arthur Schnitzler – Flucht in die Finsternis – 111.jpg

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.

schien ihm sogar, als hätte in der letzten Zeit Ottos Gang und Haltung einen eigentümlich veränderten Charakter angenommen. Sollte er kränker sein als ich, dachte Robert? – Er – der Kranke – er allein?

„Was ist dir?“ fragte Paula. „Habe ich dir weh getan?“

Er faßte sich. „Geliebte“, flüsterte er und drückte ihr die Hand. Aber seine innere Unruhe vermochte er nicht mehr zu beschwichtigen. Er dachte an die tückische Schicksalsmöglichkeit, daß grade jetzt, da er sich dem Dasein wiedergegeben und zu einem stillen Glück bestimmt wähnte, sein unglückseliger Bruder sich zur Einlösung jenes furchtbaren Versprechens berechtigt und verpflichtet glauben könnte. Um seine plötzlich verdüsterte Stimmung zu entschuldigen, hielt er es für angezeigt, Paula mitzuteilen, daß er seit einigen Wochen von ernstlichen Sorgen um den Gesundheitszustand seines Bruders gequält werde, der sich in seinem Beruf immer mehr zugemutet habe, als auch die angespanntesten Kräfte dauernd zu leisten vermöchten. Er sprach von ihm mit Liebe, ja mit Schwärmerei, und fühlte dabei sein Herz von schmerzlich brennendem Mitleid schwellen.

Bewegt hörte Paula zu. Sie kannte Otto nur wenig, doch aus der Entfernung hatte sie ihm seit jeher lebhafte Sympathie entgegengebracht, die sie bei einer

Empfohlene Zitierweise:
Arthur Schnitzler: Flucht in die Finsternis. Berlin: S. Fischer, 1931, Seite 111. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Arthur_Schnitzler_%E2%80%93_Flucht_in_die_Finsternis_%E2%80%93_111.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)