Seite:Arthur Schnitzler – Flucht in die Finsternis – 165.jpg

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fragte er sich. Wer diese Aufzeichnungen liest, kann mich nicht mehr für wahnsinnig halten. Aber ich werde das Ganze noch einmal schreiben, ausführlicher und verständlicher. Morgen mit dem ersten Zug fahre ich weiter, gehe dann an einer Zweigstation auf eine andere Strecke über, irgendwohin, wo mich niemand vermutet, und dort setze ich meine Anklage- oder meine Verteidigungsschrift sorgfältig auf. Anklage oder Verteidigung? Ja, was ist es eigentlich? Und er grübelte nach. Wie ein blasses Gespenst schwebte ihm die Gestalt jener armen Klavierlehrerin durch den Sinn, mit der er seine letzte trübselige Liebesnacht verbracht hatte, und wieder regte sich der seltsame Zweifel in ihm, ob in jener Begegnung sich nicht das Leben zum letztenmal mit einer Frage an ihn gerichtet, die er gedankenlos, ja grausam beantwortet hatte. Er erlebte es noch einmal in der Erinnerung, wie das einsame Geschöpf aus dem davonfahrenden Wagen sich nach ihm umgewandt, ihm traurig-ernst zugenickt und wie er selbst ihr ungerührt und herzenskalt nachgeblickt hatte. Doch sah er sich völlig anders, als er in jenem Augenblick und überhaupt jemals ausgesehen haben konnte. Übergroß und hager stand er da in einem fliegenden dunklen Mantel und warf einen schwarzen Schatten weit vor sich hin. Diesen Schatten aber nahm er jetzt tatsächlich wahr, da er grade an der

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Arthur Schnitzler: Flucht in die Finsternis. Berlin: S. Fischer, 1931, Seite 165. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Arthur_Schnitzler_%E2%80%93_Flucht_in_die_Finsternis_%E2%80%93_165.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)