Seite:Arthur Schnitzler – Flucht in die Finsternis – 171.jpg

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noch nicht wieder geschlossene Haustor, lief über den menschenleeren Marktplatz, durch die lange Dorfstraße in die freie Landschaft hinaus, stapfte durch den hohen Schnee, warf den Mantel ab, der ihn im Laufen hinderte, stürmte immer fort, immer weiter, nichts in sich als den festen Willen, niemals zur Besinnung zu kommen – durch eine klingende blaue Nacht, die niemals für ihn enden durfte. Und er wußte, daß er diesen gleichen Weg schon tausende Male dahingerast und daß es ihm bestimmt war, ihn noch tausende Male bis in alle Ewigkeit durch klingende blaue Nächte hinzufliehen.

Nicht weniger als sieben volle Wegstunden von dem Ort entfernt, aus dem er geflohen war, an einem steinigen Abhang, der zu der fast vereisten Ache hinabführte, den Kopf nach abwärts gewandt, mit zerschundenen Händen, getrocknetes Blut an Scheitel und Stirn, entdeckte man drei Tage später seinen entseelten Leib.

Die Aufzeichnungen, die man in seiner Reisetasche fand, wurden dem Gericht übergeben und auszugsweise veröffentlicht. Der Fall in all seiner Düsterkeit lag so klar wie möglich: Verfolgungswahn, wer konnte daran zweifeln? Doktor Leinbach aber hatte seine eigenen Gedanken darüber, und er zögerte nicht, sie seinem mit Sorgfalt geführten Tagebuch anzuvertrauen. „Mein armer Freund“, schrieb er,

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Arthur Schnitzler: Flucht in die Finsternis. Berlin: S. Fischer, 1931, Seite 171. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Arthur_Schnitzler_%E2%80%93_Flucht_in_die_Finsternis_%E2%80%93_171.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)