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Von Jahr zu Jahr sie trauern,

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Sie sinken fleh’nd aufs Knie,

Er in den schwarzen Mauern,
Auf grünem Eiland sie.
Bis daß in einer Frühlingsnacht
Das Wort des Herrn im Traume

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Ward vor sein Ohr gebracht.


Der Engel sprach zum Ritter:
„Auf, opfre dich dem Herrn,
So springt dein Kerkergitter,
So leitet dich sein Stern!“

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Der Ritter denkt der süßen Frau’n,

Die Minne soll er opfern;
Doch ach! er darf sie schau’n!

Und einem Ritterorden
Gelobt er sich im Traum; –

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Sieh da, erfüllt ist worden,

Was schien ihm möglich kaum.
Denn als er aus dem Schlaf erwacht,
Das Kerkerthor steht offen
In sternenheller Nacht.

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Er pflegt’ in jungen Jahren

Der Sterne Wissenschaft;
So zieht er, wohlerfahren,
Gott stärket seine Kraft.
Er führt ihn durch den heißen Sand,

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Und unter wilden Völkern,

Bis an des Meeres Strand.

Durch Sturm und Felsenriffe
Bringt schnell und sicher ihn
Auf einem Christenschiffe

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Der Herr zur Heimath hin.

Bald unter teutschem Blüthenschnee
Steht er am alten Ufer
Und rudert durch den See.

Empfohlene Zitierweise:
August Schnezler (Hrsg.): Badisches Sagenbuch 1. Band. Kreuzbauer und Kasper, Karlsruhe 1846, Seite 49. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Badisches_Sagenbuch_049.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)