Seite:Badisches Sagenbuch 447.jpg

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der sogenannten Schönwiesen fand er ein schön gearbeitetes Crucifix zur Seite der Straße liegen, hob es voll Ehrfurcht auf und verbarg es einstweilen in einem nahen Gebüsche, um es auf seinem Rückwege mit nach Hause zu nehmen.

Dies geschah; er stellte das Bild in seiner Kammer auf und verrichtete zwei Jahre hindurch täglich seine Andacht davor. Nach Verlauf dieser Zeit fiel er in eine schwere Krankheit, die dergestalt überhand nahm, daß Nägelin bald alle Sinne schwanden und er 24 Stunden lang wie eine Leiche da lag, so daß die Leute ihn für todt hielten und Anstalten zu seiner Beerdigung trafen.

Allein Wunder über Wunder! Nägelin erhält plötzlich sein Bewußtsein wieder und fängt ganz deutlich folgende Worte zu reden an: „Laßt dieses heilige Kreuz durch einen vertrauten Mann nach Villingen tragen, mit Vermelden, daß wenn diesem Crucifix zu Ehren daselbst ein Kirchlein errichtet würde, dann werde Villingen von großen, schwerdrohenden Uebeln verschont und erhalten werden.“ – Man erfüllte Nägelins Wunsch und sandte Boten mit dem Kreuze in die Stadt; allein die Obrigkeit setzte Zweifel in die Wahrhaftigkeit des Berichtes und die Boten mußten unverrichteter Sache mit dem Crucifix wieder heimkehren. Doch in der folgenden Nacht, gegen Tagesanbruch, vernahm Nägelin von dessen Platze her folgende Worte: „Steh auf, Andreas Nägelin, nimm dieses Kreuz und trag es nun selbst nach Villingen, um die versprochenen Gnadenverheißungen durch deinen eigenen Mund zu bekräftigen!“ – Mit einem Male fühlte sich Nägelin von aller Krankheit und Schwäche befreit; zum höchsten Staunen der Seinigen erhob er sich kräftig vom Lager, eilte zum Pfarrer des Orts, erzählte ihm den Vorgang und[WS 1] bat ihn um seine Begleitung nach Villingen. Alsbald machten sich die Beiden mit dem Wunderkreuze auf den Weg und es gelang ihnen, den Magistrat der Stadt zum Entschluß zu bewegen, das Kreuz in ihren Mauern aufzustellen und ihm ein eigenes Kirchlein zu bauen, wozu man den Platz vor dem Bickenthore wählte. Bald war die Kapelle fertig und seit der Zeit hat das Nägelinskreuz, von Wallfahrern aus Nähe und Ferne immer zahlreicher besucht, in schweren Zeiten der Stadt und ihrer Bewohner der Wunder unzählige gethan und sie geschützt in den drohendsten Gefahren, namentlich während der Belagerung im Jahr 1633 von den Schweden.
{{LineSize|89|10|(Auszug aus einem dem Herausgeber von Herrn Chorregenten Dürr mitgetheilten Büchlein unter dem Titel „Das Nägelins-Kreuz etc. zu einem förmlichen Betbüchlein eingerichtet.“ Herausgegeben von M. C. S. Villingen. (Ohne Jahrszahl.) In diesem Büchlein sind eine Menge Wunderwirkungen des heiligen Kreuzes aufgezählt, wie auch eine kurze Geschichte der von der Stadt erlittenen Belagerungen.)


Romeias, der Villinger Simson.

Gegen Ende des 15. Jahrhunderts lebte zu Villingen ein Mann, Namens Romeias Mann, der von beinahe riesenhafter


  1. Vorlage: und und
Empfohlene Zitierweise:
August Schnezler (Hrsg.): Badisches Sagen-Buch 1. Band. Kreuzbauer und Kasper, Karlsruhe 1846, Seite 447. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Badisches_Sagenbuch_447.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)