Seite:Badisches Sagenbuch 464.jpg

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.

Heimathsrecht in der Gemeinde zu gewähren, fiel noch weniger Jemanden ein. Denn die ehemaligen Gemeindeverfassungen waren allgemein in diesem Punkte hart und streng, hatte man ja ohnehin Leute genug, welche, wie man zu sagen pflegte, „der Gemeinde zur Last fielen.“ Viele Jahre lang lebte nun das Elsele, oder, wie man es von seinem Aufenthalt nannte, das Deckrischen-Elsele, so vor sich hin. Endlich blieb es aber aus; auch beim gräßlichsten Unwetter kam sie nicht mehr in’s Städtlein und man vermuthete, daß sie gestorben sei; Niemand aber wußte von ihrer Todesart etwas Näheres anzugeben. Ihre Hütte zerfiel und Jedermann war froh, sie los zu seyn. –

Doch bald sollt’ es Anders kommen. Bald hieß es allgemein, das Elsele gehe im Walde „geistweis“; man erzählte von mancherlei Schabernack den sie den Leuten anthue. Der Wald kam in Verruf, und wer etwas darin zu thun hatte, machte, daß er vor Sonnenuntergang heim kam, ebenso Diejenigen, welche die Straße, die durch Deckrischen führt, passiren mußten. Hatten z. B. die wohlweisen Rathsglieder der Stadt etwas im Walde zu schaffen oder zu beaugenscheinigen, und es rauschte was im Gebüsch und ein Weiblein huschte vorüber, oder sie wollten, um ihr auszuweichen, einen andern Heimweg einschlagen, so konnt’ es leicht geschehen, daß sie nach langem Umhertappen den Weg verloren und an ganz entgegengesetzter Stelle des Waldes herauskamen.

Einem Krämer, der oft mit einem Esel-bespannten Wägelein durch diesen Wald fuhr, begegnete schon häufig, daß sein Thierlein auf einmal „stättig“ wurde, zu keuchen und schwitzen begann und zuletzt den ganzen Kram umwarf, worauf gewöhnlich ein kleines Weiblein lachend in den Wald hinein sprang. Manchem Wanderer hockte es auf den Rücken und ließ sich tragen bis wo der Wald ein Ende hatte.

Ein Holzhauer sah es einst über einen hohen, an einem andern Baume lehnenden Windfall in kühnem Sprunge setzen. Oft erblickte der Jäger tief im Walde an der höchsten Tanne ein Paar zierlich geflochtene Zöpfe und entfernte sich schweigend, denn er wußte, in wessen Nachbarschaft er sich befand. Zuweilen sahen Schnitterinnen ein Weiblein aus dem Walde kommen, auf den Platz, wo ihre Hüte und sonstigen Kleidungsstücke lagen, zugehen,

Empfohlene Zitierweise:
August Schnezler (Hrsg.): Badisches Sagen-Buch 1. Band. Kreuzbauer und Kasper, Karlsruhe 1846, Seite 464. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Badisches_Sagenbuch_464.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)