Sie spricht noch mehr in himmlisch holden Tönen;
Der Liebesgöttin gleicht sie von Gestalt.
Der Ritter fühlt ein unnennbares Sehnen,
Es hält ihn fest mit zaubrischer Gewalt.
Entzückt; doch ach! die Stunde flieht zu bald;
Da geht er bei des sanften Mondes Blicke,
Und kehrt beim nächsten Abendroth zurücke.
Er setzt sich hier auf einen Felsen nieder,
Ein süßer Schauer wallt durch seine Glieder,
Und in dem Herzen brennt der Liebe Gluth.
Doch warten ist umsonst, sie kehrt nicht wieder:
Er schleicht zur Burg; ihm sinken Kraft und Muth –
Daß ihm nicht mehr erscheint die holde Maget.
Am sechsten Tag, im späten Dämmerlichte,
Harrt Staufenberg und seufzt: „Ach! wie so lang!
Will denn mein Loos, daß ich auf sie verzichte?“
Er horcht, und späht bis in des Haines Dichte.
Doch schien’s, daß aus dem Quell die Stimme drang;
Da sitzt, als nun sein Schritt zum Wasser eilet,
Die Jungfrau auf dem Stein, wo er geweilet.
Schon lächelt ihm der schönsten Träume Ziel:
Doch soll sein Fragen nichts von ihr erkunden,
Und lächelnd scherzt sie nur im Wörterspiel.
Ach! süß betäubt, zu mächtig überwunden,
Sie sinnt voll Ernst und spricht: „An dieser Stelle
Seyd morgen früh, noch vor des Tages Helle!“
Und eh’ die Stern’ entflohn auf andre Bahnen,
Erscheinet, kaum der Wonne sich bewußt,
Da steht die Reizende vor ihm, o Lust! –
August Schnezler (Hrsg.): Badisches Sagen-Buch 2. Band . Kreuzbauer und Kasper, Karlsruhe 1846, Seite 25. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Badisches_Sagenbuch_II_025.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)