Seite:Badisches Sagenbuch II 111.jpg

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sich mit den jungen Burschen des Thals belustigte, und auf der Kirchweihe oder sonst bei ländlichen Festen, war er der schmuckeste und flinkeste Tänzer; manches Mädchenauge blickte verstohlen nach dem schönen Jägersmann und mancher Seufzer stahl sich aus zarter Brust, wenn er den Tanzplatz wieder verließ. Aber die schönen Dirnen galten ihm alle gleich; er scherzte und tanzte mit allen und keine konnte sich eines Vorzuges in seinem Herzen rühmen.

Eines Tages kam Berwin von den Höhen der Hornisgrinde herab; es war ein heißer Tag und der Durst trieb ihn zu der frischen, klaren Bergquelle, die unweit des Mummelsee’s im Schatten grünen Gebüsches entspringt und nach wenigen Schritten ihr Wasser mit dem des See’s vermischt. Er labte sich weidlich an der hellen, sprudelnden Quelle, und die Heimlichkeit des Orts verlockte ihn, auf dem blühenden Haidekraut sich niederzulassen, wo auch alsbald ein leiser Schlummer seine Augen umfing. Lange dauerte dieser indeß nicht; er erwachte bald wieder und richtete sich auf; aber wer beschreibt sein Staunen, als er, sich gerade gegenüber, am jenseitigen Ufer eine Mädchengestalt sitzen sah, von solch zauberhafter Schönheit, wie noch in keinem Traume, geschweige denn in der Wirklichkeit ein Frauenbild ihm erschienen war. Das war kein irdisches Wesen! Auf Erden reiften nicht solche Himmelsreize! Des blendendsten Schnee’s Schimmer mußte verglimmen vor der Weiße dieses herrlich geformten Lilienantlitzes, und die Rosen von Pästum erbleichen vor dem zarten Hauch ihrer Wangen. In diesem Gesicht voll unnennbarer Anmuth lag ein ganzer Himmel unendlicher Seligkeit, und diese taubenmilden, klugen Augen drangen unwiderstehlicher als die feurigsten Blicke in des jungen Jägers Seele, dort eine Flamme weckend, die nur mit seines Athems letztem Hauche verlöschen sollte. Ein süßer Schauer durchbebte ihn bis ins innerste Mark und unwillkürliche Seufzer entstiegen seiner beklommenen Brust. Mit dem Binden eines Straußes von Haideblumen beschäftigt, war dies holde Frauenbild bisher in sorgloser Unbefangenheit im Ufergrase gesessen; bei dem ungewöhnlichen Ton aber schaute sie auf und als sie die Gestalt des Jägers erblickte, sprang sie rasch empor und stürzte sich kopfüber in die Fluthen des See’s, dessen über ihr zusammenschlagende

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August Schnezler (Hrsg.): Badisches Sagen-Buch 2. Band. Kreuzbauer und Kasper, Karlsruhe 1846, Seite 111. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Badisches_Sagenbuch_II_111.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)