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Von Fels und Bäumen rings umgeben;
Dort ist ihm wohl, dort ist sein Leben.

Er baut aus Kieseln, Rinden, Gras,

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Sich kleine Kirchen und Kapellen

Mit Kunstgefühl und sicherm Maaß.
Die wundervollsten Bilder schwellen
Sein glühend Herz; wohin er schaut,
Sieht Alles er so schön gebaut!

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Den dunkeln Hain, die kühle Grotte,

Weiht er zu Tempeln seinem Gotte.

Der Buchen Wölbung zieht ihn an,
Die Tannen, so darüber steigen,
Der Epheu, der sich rankt hinan,

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Der Himmel zwischen grünen Zweigen;

Die Felsen, buschig oder schroff,
Die Blumen, – Alles gibt ihm Stoff,
Da zeichnet er auf Schieferplättchen
Die Formen bis aufs kleinste Blättchen. –

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Einst lag, am schwülen Sommertag

Er in des Forstes kühler Tiefe,
Da wars ihm, wie er träumend lag,
Als ob man ihn beim Namen riefe;
Und sieh! vor einer Felsenwand

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Ein Greis mit Silberlocken stand;

Die Sonne war schon tief gesunken,
Der ganze Wald voll grüner Funken.

Der Alte ruft: „Steh’ auf, mein Sohn!
Wagst du, mit mir hinabzusteigen,

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Will ich zu deines Fleißes Lohn

Dir wunderbare Dinge zeigen:
Du kennst das obre Bauwerk nur,
Doch nicht das innre der Natur,
Nicht die Paläste, deren Quadern

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Entströmen tausend Lebensadern.“


Keck folgt der Knabe dem Geheiß,
Die Wißbegier läßt ihn nicht zagen,

Empfohlene Zitierweise:
August Schnezler (Hrsg.): Badisches Sagen-Buch 2. Band. Kreuzbauer und Kasper, Karlsruhe 1846, Seite 165. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Badisches_Sagenbuch_II_165.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)