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Der König besann sich – er blickte versöhnt:

„Nicht bin ich um Großmuth zu markten gewöhnt.

Den Groll der Unsterblichen mildert und stillt
Die Liebe, die Leides mit Liebem vergilt.

Ihr habt es erbeten, so sey es gewährt,

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Dazu noch ein Gnadengeschenk euch bescheert.


Empfangt hier drei Kiesel, unscheinbar und schlecht,
Doch werther, als Kronen, benützt ihr sie recht.

Schlägt klingend ein solcher den starrenden Fels,
So wird er die Wiege heilkräftigen Quells.“

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Er schwenket die Lilie; auf thut sich das Thor,

Schnell wirbelt ein Strudel die Wandrer empor.


3.

Noch stehn die Gesellen am schilfigen Strand,
Sie wiegen das Königsgeschenk in der Hand.

„O ärmliche Gabe, du schlechtes Gestein,

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Dich werf’ ich zum Spott in die Wogen hinein!“


So höhnte der Jüngste mit frevelndem Mund,
Und schleudert den Kiesel hinab in den Schlund.

Da scholl aus der Tiefe ein klägliches Weh’,
Da krachte die Erde, da kochte der See.

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Und schwärzliche Wolken entstiegen der Fluth,

Draus Hagel und Donner und Blitz sich entlud.

Wie Koboldsgepolter durchtost’ es die Luft,
Und Schaaren von Schlangen entkrochen der Kluft.

Da rannten die Wandrer, wie Rehe verzagt,

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Umgeisselt von Blitzen, von Schlangen gejagt,


Bergüber, bergunter, waldein und waldaus,
Sie blickten nicht um sich, sie ruhten nicht aus.

Empfohlene Zitierweise:
August Schnezler (Hrsg.): Badisches Sagen-Buch 2. Band. Kreuzbauer und Kasper, Karlsruhe 1846, Seite 178. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Badisches_Sagenbuch_II_178.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)