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Doch du, mein stilles Lichtenthal!

Du bist des Mondes milder Strahl,
Mit frommen Klosterfrauen.

Mit tausend Wassern frisch und rein,
Melodisch quellend aus dem Stein,

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Den Moos und Sinngrün decket,

Mit Wäldern, wo die Nachtigall,
Statt der Musiken lauter Schall,
Den müden Schläfer wecket.

Glanzreiche Sonne, dir sey Preis!

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Doch wem du bist zu licht, zu heiß,

Der flieh mit seinen Wunden
Ins lichte Thal, vom Zauberstrahl
Des Monds verklärt, nach Lichtenthal –
Gewiß, er wird gesunden!

Justinus Kerner.


Lichtenthal.

Wie! dies wäre der Weg, der den staunenden Wanderer leitet
Zu dem Asyle, wo Ruh findet das schmachtende Herz?
Wie! dies wäre der Weg in die friedlichen Räume des Klosters,
Hier, wo das laute Gewühl bunter Gestalten sich drängt?

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Hier, wo mit Flügeln des Windes, in Amazonen verwandelt,

Durch den umwirbelnden Staub Albions Töchter entfliehn!
Ha! wie flattern die Locken, die Schleier, wie pochen die Busen!
Mancher verderbliche Pfeil zückt aus den Augen herab.
Sieh nur, wie kleidet so hübsch das schwarze Barett die Blondine,

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Welchem der flüchtige Strauß hat das Gefieder geliehn!

Sieh, wie die Grazie leicht auf dem schäumenden Zelter sich schaukelt
Und wie die Wangen ihr glühn, – Mädchen, wie bist du so schön!

Empfohlene Zitierweise:
August Schnezler (Hrsg.): Badisches Sagen-Buch 2. Band. Kreuzbauer und Kasper, Karlsruhe 1846, Seite 219. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Badisches_Sagenbuch_II_219.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)