Seite:Badisches Sagenbuch II 312.jpg

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Unter allen Dreien waren seine Sitten die feinsten und gewandtesten; auch schien er ziemlich lebenslustig. Der Dritte, ein Jüngling von zwanzig Jahren, hatte der Natur mehr zu danken, als dem Glücke. Mit einer einnehmenden Gestalt verband er eine ächt ritterliche Gesinnung, aber auch eine gewisse Schüchternheit, deren er nicht Meister werden konnte. Seine Vorältern hatten große Güterschenkungen an Kirchen und Klöster gemacht und ihm nichts hinterlassen, als eine ziemlich feste, höchst freundlich gelegene Burg am Rheine, und von Ländereien und anderen Einkünften nur so viel, als gerade zur Bestreitung seiner unentbehrlichsten Lebensbedürfnisse hinreichte.

Auch zu diesen drei Rittern war der Ruf von der Schönheit und dem Reichthume der drei Schwestern gedrungen und hatte sie gelockt, sich als Freier um ihre Hand einzustellen. Nachdem sie sich in der Schenke gelabt und vom Staube des Reiseweges gereinigt, ließen sie sich bei der Edelfrau melden, von der sie auch alsbald eine Einladung auf die Burg erhielten. Man führte sie, dort angelangt, in einen weiten prächtigen Saal, wo sie die drei Fräulein an ihren Spinnrocken sitzend fanden. Die Aelteste, Rosaura, war von hohem, edlem Wuchse und schöngeformten regelmäßigen Zügen, aus denen aber kein Gemüth, sondern ein kalter, höhnender Uebermuth sprach. Die zweite, Eudoxia, prangte in blühendster Jugendfülle; dagegen glich die Jüngste, Irene, einer frischen, kaum erschlossenen Rosenknospe, die sich erst schüchtern den Küssen der lauen Lenzesluft zu entfalten beginnt. Rosaura spann einen Goldfaden, Eudoxia einen von Purpur und Irene drehte bloß schlichten Hanf an ihrem Rocken. Die drei Freier ließen sich gleich von den ersten Eindrücken, welche dieß Kleeblatt auf ihr Herz machte, leiten und bestimmen: Der Graf bewarb sich um Rosaura’s Neigung, der Ritter vom See fühlte sich zu Eudoxia hingezogen und der jüngste Ritter ließ sich hocherröthend in schüchterner Verwirrung nach einigem Zögern an Irenen’s Seite nieder. Der Graf und der Seeritter wurden bald ganz herzenseinig mit ihren Damen, deren Bedenklichkeiten sich bloß innerhalb der Grenzen der Schicklichkeit hielten. Irene dagegen sagte zu dem jungen Ritter: „Gesteht

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August Schnezler (Hrsg.): Badisches Sagen-Buch 2. Band. Kreuzbauer und Kasper, Karlsruhe 1846, Seite 312. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Badisches_Sagenbuch_II_312.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)