Seite:Badisches Sagenbuch II 313.jpg

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mir nur aufrichtig, ob auf Eurer Burg viel Prunk und rauschendes Leben herrscht und ob Ihr ein Freund von Glanz und Festlichkeiten seyd? In diesem Falle tauge ich nicht als Gattin für Euch. Meine Schwestern nur sind dazu erzogen, auf großem Fuße und unter Freudegenüssen aller Art zu leben; mein Sinn ist aber nur auf das Glück stiller, einfacher Häuslichkeit gerichtet, weßhalb mich auch mein Vater, als er auf dem Sterbekissen lag, zu sich rufen ließ und sprach: „Irene, du wirst einst recht glücklich werden, denn du liebst nicht den Schimmer und eitlen Tand; darum überlasse, was ich von Gold und Kostbarkeiten auf euch vererbe, deinen beiden Schwestern, und nimm dafür diese Spindel hier! Sie rührt noch von meiner Aeltermutter her und wird die besondere Tugend an den Tag legen, daß, so lange du und deine dereinstige Familie sie sorgfältig als Kleinod bewahren, so lange auch das Glück nicht von dir und deinen Kindern und Kindskindern weichen wird.“ – Ist es nun Euer ernstlicher Vorsatz, Herr Ritter, keine vornehme, prunkliebende Dame, sondern eine schlichte wackere Hausfrau auf Eure Burg zu führen, gut, so bin ich die Eure und folge Euch gern.“

Mit freudiger Hast ergriff der junge Ritter ihre dargebotene Hand und rief: „Gott sey gedankt, daß ich in Euch eine Gattin finde, wie mein Herz von jeher allein sie wünschte! Auch mir blüht das Glück nur im stillen, prunklosen Familienleben, und zur Bestätigung, daß ich das Vermächtniß Eures seligen Vaters als ein Heiligthum ehre, soll Eure Spindel von dem Tag unsrer Vermählung an in mein Wappen aufgenommen werden.“

Die Edelfrau hatte nichts gegen die Wahl ihrer Töchter einzuwenden; doch bestand sie darauf, die Trauung solle in ihrem Schloß und zwar die aller drei Paare zu gleicher Zeit vor sich gehen. So geschah es auch bald darauf, und einige Tage später zogen die Ritter mit ihren Frauen nach ihren heimathlichen Burgen.

Die Schwiegermutter erlebte nicht mehr die nun folgenden Schicksale ihrer Kinder, denn schon sechs Monate nach der Vermählungsfeier wurde sie von einer Krankheit hinweggerafft. Ein halbes Jahr nach diesem schmerzlichen Verluste saß Irene, ihren

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August Schnezler (Hrsg.): Badisches Sagen-Buch 2. Band. Kreuzbauer und Kasper, Karlsruhe 1846, Seite 313. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Badisches_Sagenbuch_II_313.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)