Seite:Badisches Sagenbuch II 353.jpg

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Ist doch zur Jungfrau, heiß und rein,
Stets mein Gebet erklungen.
Hab’ ich doch nie der Gnaden Schrein
Entweiht durch Lästerungen;

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Und wenn auch – straft der Höchste blind

Die Unschuld für Verbrechen?
Mein Kind, mein liebes armes Kind!
Was war an dir zu rächen?“ –

Tief traf sie Bertholds Herz; wie Brand

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Fühlt Reue drin er toben:

„Ja, ich erkenne deine Hand,
Du Richtender dort oben!
Schmerzvolle Mutter, harre mein!
Beug dich am Throne nieder

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Der ew’gen Gnade, denn allein

Kehr’ ich dir nimmer wieder!“

Und wieder stürmt er alsobald
Mit seinen Jagdgenossen
Den Weg zurück, tief in den Wald,

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Auf futterfrischen Rossen;

Ein Jeder sucht auf eigner Bahn
Des Kindes Spur zu finden,
Doch Jeder sieht als eitlen Wahn
Den Strahl der Hoffnung schwinden.

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Und plötzlich sieht der Graf allein

Sich in des Forstes Raume,
Bleich glänzt herein der Sterne Schein
Vom dunklen Wolkensaume;
Nichts hört der Graf, als ahndungsvoll

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Der Nachtgesang der Eulen,

Horch, und von ferne schaurig schwoll
Der gier’gen Wölfe Heulen!

Bald hier, bald dort, wie Grabgesang
Aus schwarzer Nebel Schleier,

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Und näher, immer näher drang

Der Ruf der Ungeheuer.

Empfohlene Zitierweise:
August Schnezler (Hrsg.): Badisches Sagen-Buch 2. Band. Kreuzbauer und Kasper, Karlsruhe 1846, Seite 353. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Badisches_Sagenbuch_II_353.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)