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Des Hirten muntres Blasen,

30
Gesang und Peitschenknall;

Die Sterbglock’ hört man hallen,
Der Nonnen Klagepsalm,
Viel hundert Opfer fallen
Jach wie des Grases Halm.

35
Heute roth,

Morgen todt –
Hilf uns Herr, in der letzten Noth!
Und wer noch wandelt im goldenen Licht,
Gedenke des Todes, der Christenpflicht!

40
Der Kirchhof wird zu enge,

Er sträubt sich mehr und mehr,
Der Todten schwere Menge
Zu fassen nach Begehr;
Am Wege, vor den Thüren

45
Häuft sich der Leichen Zahl;

Kein Mensch will sie berühren,
Es steigt die Angst und Qual.
Heute roth,
Morgen todt –

50
Hilf uns, Herr, in der letzten Noth!

Und wer noch wandelt im goldenen Licht,
Gedenke des Todes, der Christenpflicht!

Der Bruder flieht die Schwester,
Den Hausherrn das Gesind,

55
Den Freund der Freund, sein bester,

Die Mutter selbst ihr Kind.
Gesprengt sind alle Bande
Der Sitte, der Natur;
Wer übt noch Macht im Lande?

60
Die Pest ist Herrin nur!

Heute roth,
Morgen todt –
Hilf uns, Herr, in der letzten Noth!
Und wer noch wandelt im goldenen Licht,

65
Gedenke des Todes, der Christenpflicht!
Empfohlene Zitierweise:
August Schnezler (Hrsg.): Badisches Sagen-Buch 2. Band. Kreuzbauer und Kasper, Karlsruhe 1846, Seite 398. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Badisches_Sagenbuch_II_398.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)