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Die heilige Hildegunde zu Schönau.[1]

In der Nähe der Stadt Köln lebten zwei fromme Eheleute in Wohlstand und Ansehen. Eines fehlte aber zu ihrem vollkommenen Glücke: ihre Ehe war nämlich seither kinderlos geblieben. Alle Gebete und Gelübde, die sie gen Himmel schickten, schienen lange nicht Erhörung zu finden. Als eine besondere Gunst desselben sahen sie daher die endlich erfolgte glückliche Geburt zweier Zwillingsschwestern an. Eine derselben war Hildegunde. Kaum waren die beiden Schwestern den Jahren der hülfsbedürftigen Kindheit entwachsen, so brachten sie die Eltern, um ihr Dankgelöbniß zu erfüllen, in ein Frauenkloster zu Neuß, damit sie dort erzogen würden und begaben sich auf die weite Pilgerreise nach dem gelobten Lande.

Kein Unfall störte die Reise des frommen Paares und es kehrte glücklich in die Heimath zurück. Allein bald darauf starb die Mutter. Da entschloß sich der Vater, vom Drange seines gotterfüllten Herzens getrieben, noch einmal die heiligen Stellen zu besuchen, wo der Heiland gelebt und gelitten. Als er Hildegunden sein Vorhaben mittheilte, lag sie ihm mit Bitten und Thränen so lange an, bis er ihr erlaubte, ihn zu begleiten. Schnell waren ihre Zurüstungen gemacht, und um jedem Anstoße vorzubeugen, den ihr Geschlecht auf der weiten Reise hervorrufen möchte, zog sie, als junger Pilgersmann verkleidet, mit ihrem Vater aus der Heimath auf die Wallfahrt, indem sie sich den Namen Joseph beilegte. Ein einziger Knecht folgte ihnen.

Allein auf der langen Seereise überfiel ihren Vater eine Krankheit, welche rasch seinem Leben ein Ende machte. Dennoch setzte sie unerschrocken ihre Reise fort, gelangte glücklich nach Palästina und besuchte schon die heiligen Stellen, wo der Herr einst gewandelt, gelehrt und gewirkt hatte.

Noch war sie aber nicht bis Jerusalem gekommen, als eines Tages ihr treuloser Knecht mit all’ ihrer Habe sich aus dem Staube machte und sie hülflos und arm in dem fremden Lande zurückließ.

Ein frommer Mann sah ihre Noth und mitleidig nahm er


  1. Städtchen, von Heidelberg 2 Stunden nordöstlich, liegt in einem von der Steinach gebildeten Seitenthale.
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August Schnezler (Hrsg.): Badisches Sagen-Buch 2. Band. Kreuzbauer und Kasper, Karlsruhe 1846, Seite 572. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Badisches_Sagenbuch_II_572.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)