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Im Kloster sie sich schließet
In eine Zelle ein,

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Und nach drei Monden naht ihr

Ein Engel mild und rein:
„Laß ab, lass’ ab, dich so zu grämen,
Dich will der Herr jetzt zu sich nehmen,
Zu enden deine lange Pein.“

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Und freudig rief die Fromme:

„Ich sterb’, Geliebter mein!“
Sie starb und in den Himmel
Bracht’ sie das Engelein.
Das Kloster ist schon längst zerfallen,

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Aus dessen öden dunkeln Hallen

Es uns erzählt’ der Leichenstein.

(Fliegendes Blatt.)

Neben dem friedlichen Dörfchen Dallau erhebt sich ein mäßiger Berg, auf welchem vor Zeiten ein Frauenkloster stand. Da dieses schon längst zerfallen, würde man die Stelle, auf der es erbaut war, kaum mehr erkennen, bezeichnete diese nicht der Name Kapell, den des Berges oberste Spitze noch trägt.

Mancherlei redet die Sage von diesem Frauenkloster. Weiße Gestalten sollen in der Mitternachtstunde dort umwandeln und melodische Sangesweisen von der Höhe niederklingen.

Obige Sage mag dem Meister Uhland den Stoff zu seinem zarten Gedichte geliehen haben, das wir hier anschließen:


Die Nonne.

Im stillen Klostergarten
Eine bleiche Jungfrau ging;
Der Mond beschien sie trübe,
An ihrer Wimper hing

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Die Thräne zarter Liebe.


„O wohl mir, daß gestorben
Der treue Buhle mein!
Ich darf ihn wieder lieben;
Er wird ein Engel seyn,

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Und Engel darf ich lieben.“
Empfohlene Zitierweise:
August Schnezler (Hrsg.): Badisches Sagen-Buch 2. Band. Kreuzbauer und Kasper, Karlsruhe 1846, Seite 611. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Badisches_Sagenbuch_II_611.jpg&oldid=- (Version vom 6.11.2018)