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Odenwäldisches Bauland.
Sagen von Vorberg und der Umgegend.
Doktor Faust zu Boxberg.

Als Doktor Faust in Heilbronn verweilte und sich mit seinen leidigen Künsten in der ganzen Gegend umhertrieb, kam er auch öfters auf die Burg Boxberg, wo er stets gastliche Aufnahme fand. Als er einst an einem kalten Wintertage mit den Herren und Frauen des Schlosses in den Gartengängen an der Ostseite der Burg lustwandelte und die Damen über Frost klagten, ließ er gleich die Sonne warm scheinen, den schneebedeckten Boden grünen, eine Menge Veilchen und schöne Blumen aller Art daraus hervorsproßen. Dann blühten auf sein Geheiß die Bäume und es reiften daran, je nachdem es die Gesellschaft wünschte, Aepfel, Pflaumen, Pfirsiche und anderes edles Obst. Endlich ließ er auch Weinstöcke wachsen und Trauben tragen, worauf er jeden seiner Begleiter einlud, sich eine Traube abzuschneiden, aber nicht eher, als bis er dazu das Zeichen gebe. Als sie bereit waren, zuzuschneiden, nahm er die Verblendung von ihren Augen und Jeder sah nun, daß er das Messer an die Nase seines Nächsten gesetzt habe. Der Theil des Gartens, wo sich dies zugetragen, wird seit jener Zeit „der Veilchengarten“ genannt.[1]


  1. Die Sage von der Gartenbezauberung erzählt man sich auch von Albertus Magnus; die Nasenscene hat Göthe auch in seinem „Faust“ angebracht.
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August Schnezler (Hrsg.): Badisches Sagen-Buch 2. Band. Kreuzbauer und Kasper, Karlsruhe 1846, Seite 613. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Badisches_Sagenbuch_II_613.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)