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Sie selbst in frischer Jugend Glanz,

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Sie fühlte sich so Leben ganz,

Dacht’ an den Tod wohl nie!

Erhalten auf der Bahre
Liegt sie dreihundert Jahre –
O schweige, Kastellan!

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Ich weiß, was du mir sagen willt:

Vor diesem starren Todtenbild
Weicht aller Erdenwahn!

Geborstne Schlösser dauern
Im Trotz zerspaltner Mauern

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Noch glänzend spätem Blick.

Das Menschenkind hat keine Frist,
Es endet, wenns von hinnen ist,
Sein zeitliches Geschick.

Bei dieser grausen Miene

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Der menschlichen Ruine

Erschauert mir die Haut.
Wenn meinen Leib empfing die Gruft,
Steig’ er verwandelt auf zur Luft
Als Gras und buntes Kraut!

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Und jetzt zum Sonnenscheine,

Jetzt zu dem Schloßgesteine
Der alten Welt empor!
Doch will ich rückwärts nicht zur Zeit,
Will vorwärts schau’n zur Ewigkeit,

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Duch das zerfallne Thor.
Gustav Schwab.
Empfohlene Zitierweise:
August Schnezler (Hrsg.): Badisches Sagen-Buch 2. Band. Kreuzbauer und Kasper, Karlsruhe 1846, Seite 656. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Badisches_Sagenbuch_II_656.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)