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auch kulturellen Aufgaben zuzuwenden – das könnte lange dauern, – sondern daß sie von vornherein auf das Ziel dieses Kampfes hinsteuert, daß sie nicht Selbstbehauptung, sondern Dienst an einer Idee als ihren Daseinszweck erkennt, daß sie nicht Machtpolitik, sondern Kulturpolitik sein will.

Es ist notwendig, den unlösbaren Zusammenhang politischer und kultureller Aufgaben ganz klar zu erfassen, denn davon hängt unsre Stellung zu den Kulturproblemen der nächsten Zeit ab. Man trifft jetzt häufig auf wohlmeinende Leute mit weitreichenden geistigen Interessen, die entsetzt fragen: Wie denken Sie sich unser kulturelles Weiterleben? Wo soll das Geld dafür herkommen? Die Denkweise dieser scheinbar so praktisch und realpolitisch argumentierenden Leute ist bedingt durch die bisherigen Zustände. In der Tat war das, was man bisher für Kulturzwecke tat, hauptsächlich ein Geldopfer und auch dieses wurde nur gebracht im Hinblick auf besondere außerkulturelle Zwecke. Man denke an die unsinnigen Gelder, die für die Forderung des künstlerisch belanglosen Männergesangs zum Fenster hinausgeworfen wurden, an den Denkmals- und Bautenunfug namentlich in Berlin. Aber nicht nur diese aus persönlichen Launen höchster und „allerhöchster“ Persönlichkeiten zurückzuführenden Kulturtaten belasten unsre Vergangenheit. Es ist nötig hervorzuheben, daß es in der Bürgerschaft nicht im mindesten besser aussah. Unsre Städte haben Theater gebaut und unterhalten, bei deren Anlage man wohl repräsentative und wirtschaftliche Erwägungen in Betracht zog, die künstlerischen Forderungen aber nur als notwendiges Übel behandelte und sie unter die Oberaussicht einer rein kaufmännisch urteilenden Verwaltung stellte. Man hat Universitäten gegründet – nicht um Sammelpunkte geistigen Lebens zu schaffen, sondern um nach außen hin mit ihnen zu prunken und dabei das Wirtschaftsleben der Stadt zu fördern, und man hat die anfänglich zaghaft geforderte Freiheit in der Berufung der Lehrer unbedenklich geopfert, nur um die an die Gewährung der staatlichen Konzession geknüpften Geschäfts- und Eitelkeitshoffnungen verwirklichen zu können. Wenn man die Summen zählt, die in deutschen Städten für kulturelle Zwecke verausgabt wurden, so könnte man zu der Ansicht kommen, hier sei ein Kulturleben von höchster Geistigkeit in Blüte gewesen. Sieht man genau zu, so erkennt man, daß fast überall mit unseren geistigen Gütern Raubbau getrieben wurde, und daß ihre Pflege nur den Vorwand gab für Spekulationen durchaus ungeistiger Art. Der tatsächliche Zustand war also gerade das Gegenteil von dem ideell Notwendigen: man trieb nicht Politik, um der Kultur des Volkes, des Landes und damit der Menschheit zu dienen, sondern man vergewaltigte die kulturellen Mittel im Dienste der Politik. Nur soweit sie sich den Zwecken dieser Politik gefügig erwiesen, wurden sie mit hohen Reden voll pathetischen Schwunges als der Förderung würdig befunden.

Es wäre ebenso billig wie falsch, die Schuld an dieser geistigen und kulturellen Verelendung des deutschen Volkes, aus der heraus erst der militärische, politische und wirtschaftliche Zusammenbruch erklärlich wird, ausschließlich den alten Machthabern zuzuschreiben. Sie hätten sich trotz des Besitzes äußerer Machtmittel niemals so ungehemmt durchsetzen können, wenn nicht gerade die Träger der geistigen Volkskraft sich ihnen willig zur Verfügung gestellt hätten. Statt die Souveränität des Geistes zu proklamieren und, auf sie gestützt, der Wirklichkeit die Idee gegenüberzustellen, statt die Selbständigkeit und Unantastbarkeit ihres Führeramtes,

Empfohlene Zitierweise:
Paul Bekker: Politik und geistige Arbeit (Bekker). Tiedemann & Uzielli, Frankfurt am Main 1918, Seite 4. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Bekker_Politik_und_geistige_Arbeit_Seite_4.png&oldid=- (Version vom 31.7.2018)