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Emil Hübner: Bildnis einer Römerin, Marmorbüste des Britischen Museums (die sogenannte Clytia)

nicht Statuen der Götter[1], welches ja auch kaum ausführbar gewesen wäre, sondern Büsten derselben auf die lecti gestellt[2], vielleicht, wie Preller nach Analogie der imagines maiorum vermuthete, drapierte Wachsmasken[3], vielleicht ursprünglich Thon-, später Erzbilder. Sichere Darstellungen der Lectisternien, die uns bei dem Mangel anderer Zeugnisse allein hierüber Aufschluss geben könnten, giebt es meines Wissens nicht[4]. Wenn in der Zeit des entwickelten künstlerischen Luxus Götterköpfe zu den Lectisternien benutzt wurden, so lag es nahe, sie für die Zuschauer soviel als möglich wirklich liegend erscheinen zu lassen. Diese Absicht, combiniert mit der Nöthigung ein solches Götterbild auch selbständig aufzustellen, da es doch nur selten bei dem Lectisternium figurierte, wird vollkommen erreicht durch ein Brustbild, wie das der Clytia, das auf dem ornamentalen Blätterkelch ruht. Ich bin weit


  1. Statuen wurden, wie es scheint, in der pompa circensis auf den thensae einhergefahren. Doch begnügte man sich vielleicht auch hierbei zuweilen mit capita; vgl. die Bemerkungen über die Thensa des vermeinten Consus oder Terminus von A.Riese und mir im archäologischen Anzeiger 22, 1864 S. 250* 260*.
  2. Livius 40, 59 terra movit; in fanis (so ist gewiss mit Duker und Weissenborn statt des handschriftlichen foris zu schreiben) publicis, ubi lectisternium erat, deorum capita, quae in lectis erant, averterunt se u. s. w. Das quae ist nur verständlich, wenn nicht die ganzen dei, sondern nur ihre capita auf den lecti lagen; vgl. dazu Weissenborn’s Anmerkung.
  3. Preller römische Mythologie S. 133.
  4. Auf den Denaren des C. Coelius Caldus, des Quaestors des Cicero in Cilicien, bei Mommsen römisches Münzwesen S. 636 Nr. 280, welcher Borghesi’s Deutungen (oeuvres 1 S. 319 ff.) wiedergiebt, wird hergebrachter Weise der Gegenstand, hinter welchem der L. Caldus, wahrscheinlich der Vater des Münzmeisters, steht, für den lectus eines lectisterniums erklärt; doch ist es vielmehr ein Altar, auf welchem der als septemvir epulo dargestellte opfert. — Auf einigen Münzen des Gordian von Tarsos bei Mionnet description des méd. 3 S. 646 Nr. 548 finden sich zwei concentrische Reihen von Köpfen, zwischen welche die Buchstaben der Aufschrift vertheilt sind. Ich zähle auf den beiden Pariser Schwefelpasten des hiesigen Cabinets je 14 und 16 Köpfe, der mittlere derselben wird von zwei schwebenden Victorien bekränzt; davor steht ein Gegenstand, der wie ein Bisellium aussieht. Man hat auch hier an ein Lectisternium gedacht; die Köpfe können allerdings capita deorum sein (für die kaiserliche Familie scheinen es fast zu viele), aber sicher ist diese Erklärung keineswegs. — Rich giebt in seinem illustrierten Wörterbuch der römischen Alterthümer S. 347 die Darstellung einer Thonlampe, welche Serapis und Isis, Sol und Luna in der üblichen Weise auf einem lectus ruhend zeigt; vor ihnen steht ein Tischchen. Dies ist ein in menschlicher Weise dargestelltes Göttermahl, nicht aber die Caerimonie des Lectisterniums. - Andere Darstellungen sind mir nicht bekannt geworden. — Dagegen lässt sich ein indirecter Beweis für die Büstenform der in den Lectisternien gefeierten Götterbilder vielleicht daraus entnehmen, dass meist auch die Bildnisse der consecrierten Kaiser in derselben Form erscheinen. So hält Livia auf dem Wiener Cameo die Büste des Augustus in der Hand, was doch nicht wohl (mit Benndorf und Schöne lateran. Museum S. 209) durch die Form der imagines maiorum erklärt werden kann; und so vor allem erscheint die bekannte Büste des Claudius mit der Strahlenkrone auf dem Adler, welcher auf einem Tropäenhaufen sitzt, in Madrid (in meinen antiken Bildwerken S. 119 Nr. 201). Sie ist zuerst abgebildet, wie ich hier nachtrage, nur ohne den Tropäenhaufen und in der freien Weise der Zeit, in der bekannten Aldina (von 1499 und 1545) der Hypnerotomachia des Poliphilus, das ist Franciscus Columna, auf Bogen 2 Blatt 7 v. Das Motiv des Adlers mit dem Donnerkeil findet sich an dem antiken Büstenfuß wahrscheinlich eines consecrierten Kaisers (der Kopf ist modern) in Madrid (meine antiken Bildwerke S. 123 Nr. 214).
Empfohlene Zitierweise:
Emil Hübner: Bildnis einer Römerin, Marmorbüste des Britischen Museums (die sogenannte Clytia). Berlin: W. Hertz, 1873, Seite 28. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Bildnis_einer_R%C3%B6merin_28.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)