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Das Ausland. 1,2.1828

Das Ausland.
Ein Tagblatt
für Kunde des geistigen und sittlichen Lebens der Völker,
mit besonderer Rücksicht auf verwandte Erscheinungen in Deutschland.

Num. 5. 5. Januar 1828.

Die Pariser Censur.
Von A. Jal, vormaligen Seeoffizier.
Zur Charakteristik des Geistes der in Frankreich während der Censur erschienenen Flugschriften.
(8 Uhr Abends, Bureau der Censur. Straße Grenelle Nr. 103.)

Der Chef liest:

P. S. Seine Excellenz beauftragt mich, mein Herr, Ihnen zu eröffnen, daß, sowie ein solcher Fehler zum zweitenmale vorkommt, ohne weiters Ihre Stelle ersetzt wird.“ – Und Sie können mich noch fragen, warum ich mich der Ankündigung dieses höllischen Buchs widersetze?

Erster Censor. Gegen diesen Grund läßt sich nichts einwenden; aber ich habe für meine Rechnung auch einen sehr triftigen. Gestern bin ich dem Pater Provinzial von Frankreich begegnet, der mir die Ehre erwiesen hat, mit mir auf der Straße vor aller Welt zu sprechen. Der Hochwürdige grüßte mich und sagte: „Mein Bruder, Sie bekleiden ein Amt des Segens; von Ihnen und von Ihren Gehülfen erwarten wir Alles für die Zukunft. Denken Sie, daß es Einen gibt, der Sie sieht, Einen, durch den Alles und ohne den Nichts möglich ist, denken Sie, daß der Ordens-General Sie sieht. Jedes strafbare Mitleiden mit den schlechten Schriftstellern und ihren verwünschten Produkten wird Ihnen als Todsünde angerechnet. Wenn Ihnen etwas am Heile Ihrer Seele liegt, so lassen Sie sich warnen: Sie müssen sonst Qualen der Ewigkeit leiden, wie ein Philosoph, ein Liberaler, ein Jansenist und ein Komödiant. Aber sprechen wir nur vom Leiblichen. So wissen Sie denn, wie Ihr Diensteifer Ihnen die Gnade von oben (versteht sich, der Kongregation!) bringt, so entfernt sündhafte Fahrläßigkeit unsere Herzen. Nur kastrirt, geschneidert, gestutzt, gezwickt: für jede dieser guten Handlungen fällt auf Sie ein wenig von dem Golde, das der Jesuitismus aus dem gehorsamen Volke herauspumpt, um es als einen lieblichen Thau auf die Diener der heiligen Sache niederträufeln zu lassen. Sie sind zu weich, noch zu sehr Mensch; sehen Sie sich vor. Adieu mein Bruder, ich segne Sie, möge meine Rede Ihnen die Stärke verleihen, deren Sie bedürfen!“ Dieß, meine Herren, sind seine Worte: so hätte ich am Ende meinen Theil als Scharfrichter blos aus Mitleiden. Ich stimme gegen Ankündigungen und Artikel betreffend die Geschichte Napoleon’s von Norvins.

Zweiter Censor. Ich stimme auch dagegen, ich! denn das heißt am Ende unsre Geduld mißbrauchen. Wie! Bonaparte und nichts als Bonaparte! Werden sie es nicht einmal mit ihrem Kaiser gut seyn lassen? Wie haben sie ihn uns nicht schon gegeben? In Erz, in Marmor, in Gips, in Chokolade, in Zucker, als Standbild, als Bruststück, in Steindruck, in Kupferstich, in Liedern, in Betrachtungen, in Messéniennes, in Biographien, in Memoiren, in Geschichten, und, was weiß ich, wie noch mehr! Mag dafür hingehen, was man 1815 auf seine Rechnung verkauft hat! Doch war das zum mindesten gescheidt, und geschah in guter Absicht! Aber diese Lobreden …

Dritter Censor. Ja, ja, proskribiren wir die Lobreden auf diesen ewigen Napoleon! Die Journale, die unsrer Hut anvertraut sind, sollen entweder gar nicht mehr von ihm reden können, oder sein lästiges Andenken mit Schmach überhäufen. Der Schatten dieses Menschen ist ein Alp auf der Brust der Minister; befreien wir unsre Herren von dieser fatalen Erscheinung, und unsre Dinte, die in großen Strömen auf die Colonnen der übelgesinnten Blätter fällt, sey wie das reinigende Wasser des Exorcisten.

Vierter Censor. Bravo! bewunderungswürdig! Was mich betrifft, meine Herrn, so habe ich noch andere Gründe. Indem Norvins über das Kaiserreich die Wahrheit sagt, so ist dieß eine vollständige Widerlegung Walter Scott’s. Das Werk des Baronets, ohnehin schon zu verschrien durch Ihre Schuld (Sie haben den Jakobinern des Courrier, des Constitutionnel, des Journals des Debats, der Pandore und des Globe Alles gegen Scott erlaubt), wird noch in größeren Mißkredit fallen; und dann – wir sind ja unter uns, wo uns Niemand hören kann: ich stehe mit dem Verleger Sir Walters in Rechnung: ich beziehe von ihm die Lond’ner Neuigkeiten, namentlich die Toryjournale; ein ehrlicher Mann zahlt so gut er kann; Geld habe ich nicht: der Montrouge ist – aber wie geitzig! Man hat etwas Schönes davon, wenn man sich für ihn aufopfert, er knickert, so lange nur vom Mitleiden die Rede ist! Aber ich bin Censor, und man soll meinen Gläubiger nicht ruiniren!

Fünfter Censor. Unser ehrenwerther Freund hat Recht: Nichts ist so abscheulich als der Undank: man zahlt mit der Münze, die man hat. Ich bewundere Ihr Zartgefühl,

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: Das Ausland. 1,2.1828. Cotta, München 1828, Seite 17. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Das_Ausland_(1828)_024.jpg&oldid=- (Version vom 29.12.2019)