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Das Ausland. 1,2.1828

zu begründen.“ –Dies also war der große Plan des kleinen Mannes! Gewiß der Leser wird den kühnen Jüngling anstaunen, der solcher Riesenarbeit sich gewachsen wähnte; möchte man nur dabei nicht etwa an den tapfern Don Quixote sich erinnern, der das Schwert gegen Schafe zog. – Der Held selbst scheint über sein Wagestück erschrocken zu seyn. „Ich ahnte es wohl,“ sagt er, „daß ich am Ende, beide Parteien täuschend, unterliegen würde.“ Ach, die Ahnung hatte Verstand; aber Hr. Wit suchte das Gesetz, das sie ihm vorhielt, dadurch zu umgehen, daß er sein „Vorhaben, unter dem Siegel des Geheimnisses, einer hohen Person anvertraute.“ So!! Man lese und bedenke! – Sancho Pansa würde sagen: da liegt der Haas im Pfeffer! – Es könnte ihm sogar die versprochene Insel einfallen, und die Art, wie er sie regieren möchte. – Welterfahrene Leute aber werden in dem Geständniß den Schlüssel finden zu Herrn Wit’s räthselhaftem Betragen, das sonach zusammenhängender und einfacher seyn dürfte als er uns glauben machen will, – als er vielleicht selbst glaubt. Die hohe Person wußte, worauf es abgesehen war, konnte das Kreuz würdigen, das der Vertraute auf sich lud. In der Ueberzeugung also, einen Rückzug offen zu haben, stürzte Hr. Wit sich in den gefährlichen Strom, – freilich mit den Luftblasen der Eitelkeit versehen, die ihn nöthigenfalls oben schwimmend erhalten konnten. Er gesteht die Anmaßung ein, versichert aber sogleich: „Der Herr ist mein Zeuge, daß mein Wille durchaus rein war und lauter.“ Wer könnte daran zweifeln? Mit solchem reinen und lautern Willen ließ er sich „die Stelle eines General-Inspectors der Carbonaria in der Schweiz und Deutschland“ gefallen, welche „Klerckon, der Sohn des Herzogs von Fra Marino, Majorduomo des Königs von Neapel“ ihn „auf das Dringendste zu übernehmen ersuchte.“ – Noch mehr, Hr. Wit wurde nicht blos in die untern Grade aufgenommen, die noch von Moral und andern Kindereien sprechen; „erst im siebenten und letzten Grade, den indessen nur sehr Wenige erhalten, empfängt man den Schlüssel zum Ganzen. Erst dem Principe Summo Patriarcho erschließt sich das Allerheiligste, oder richtiger, das Allerunheiligste. In diesem Grade ist der einzelne Mensch zugleich Fürst und Bischof.“ – Hr. Wit erhielt diesen Grad, und zwar – was wunderbar ist, – „ohne zu schwören.“ Also darf er, ohne eidbrüchig zu seyn, dem Publikum alle Geheimnisse der Sekte mittheilen. Nun, wir sind gespannt, wir wünschen uns zu unterrichten, und möchten dann gerne alle bisherigen und künftigen Dedicationen des Hrn. Wit unterschreiben. Was erfahren wir indessen von ihm? Die Wahrheit zu sagen, nicht viel mehr, als was in allen Zeitungen zu lesen war. Zwar erzählt der Herr Fürst-Bischof und Patriarch Johannes Wit, genannt von Dörring, unter dem Namen Giulio Alessandro Ferimundo Werther Domingone im Orden bekannt, und von der schönen Beatrice als Caro Fernando begrüßt, ich sage dieser Herr, der unter den vielen Namen leicht den guten verloren haben kann, erzählt: „Der (im letzten Grade) Aufgenommene schwört jeder positiven Religion und jeder Regierungsform den Untergang.“ Erfahren wir aber dadurch, wie diese Fürsten äußerlich und innerlich beschaffen sind, und wo ihr Fürstenthum, ihre Macht liegt? Aus dem Eide geht kein Geheimniß, nur eine Art Tollheit hervor. Die Patriarchen hätten eben so gut der Sonne und dem Monde den Untergang schwören können. Dabei wäre noch kein Hühnerstall, vielweniger ein Staat in Verfall gerathen. Was das Publikum wissen will, ist die Art der Wirksamkeit, sind die vorhandenen Mittel und die eigentlichen Thaten dieser Sektirer, woraus der welthistorische Lärm gegen sie zu erklären wäre. Darüber läßt aber auch Hr. Wit uns im Dunkeln. Das Schlimmste, was er in dieser Rücksicht den Verschwornen nachsagt, ist, daß sie ihn zum Fürsten-Ober-Patriarchen machten. Durch diese Offenbarung stempelt er sie zu wahren dummen Teufeln, die sich dem ersten besten Fant in die Arme warfen. Eine solche Gesellschaft mußte nicht nur einer hohen Person, sondern jedem Menschen mit gesundem Verstande als ein Rudel Narren erscheinen, – wenn sie anders nicht zum Köder für Narren angelegt war. Denn wer weiß, ob nicht andere Patriarchen auch so klug waren, sich mit hohen Personen zu verständigen? Angenommen jedoch, es sey den Sektirern Ernst gewesen, so hätte man die Regeln der Kinderzucht bei ihnen anwenden sollen. Daß die ganze schwere Artillerie der Tribunale gegen sie aufgeführt wurde, erscheint daher als eine unweise Verschwendung der großen Mittel, wodurch nichts gewonnen wurde, wodurch nur die wahren Revolutionäre zur Vorsicht und größerer Feinheit angeleitet werden konnten. Eine Gesellschaft von Phantasten wird sich, wo es Ernst gilt, keinen Tag erhalten. So war es auch; daher die ganze Posse in den Staub des Davonlaufens sich auflöste. Diese Leute träumten von verbrecherischen Zwecken; ernsthaft nachgedacht hatten sie aber die Mittel nicht. Nur Mangel an Menschenkenntniß konnte sich’s anders vorstellen. – Sonst spielten die Kinder Könige, – pueri ludentes, Rex eris, aiunt, si recte facies; in unsern Tagen spielten sie den Brutus, – wurden aber weder eines, noch das andere. – Solch Kinderspiel hat übrigens keine Geschichte, und wer sich zum Geschichtsschreiber derselben aufwirft, stempelt sich selbst dadurch zur vorübergehenden Erscheinung, schließt sich von der Geschichte aus.

Hr. Wit spricht auch von Theilnahme französischer Minister an der piemontesischen Revolution. Ob seine Angaben gegründet sind, können wir nicht entscheiden; widerlegt wird jedoch Hr. Wit gewiß nicht werden. Vielleicht rechnete er selbst darauf, daß kein Mann von Würde ihm widerspreche, oder sich in einen Streit mit ihm einlassen dürfe. Aus demselben Grunde ist auch eigentlich Niemand kompromittirt; von dieser Seite sind Anlagen ehrenvoller, als Empfehlungsschreiben.

Anziehender als die Offenbarungen der Carbonari-Geheimnisse und die Berichte über die Revolution in Oberitalien, ist Hrn. Wit’s Schilderung der piemontesischen Polizei und ihrer Gefängnisse. Im Kerker war es, wo dieser Fürst-Bischof wirklich ausgezeichnete Talente entwickelte; man möchte sagen, er sey dafür geboren. Welche Unmenschlichkeiten

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: Das Ausland. 1,2.1828. Cotta, München 1828, Seite 19. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Das_Ausland_(1828)_026.jpg&oldid=- (Version vom 4.8.2020)