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Das Ausland. 1,2.1828

Das Ausland.
Ein Tagblatt
für Kunde des geistigen und sittlichen Lebens der Völker,
mit besonderer Rücksicht auf verwandte Erscheinungen in Deutschland.

Num. 11 und 12. 11. und 12. Januar 1828.

Gurney’s Dampfwagen.[1]

Die Neugierde, welche – nicht allein in England – das Gerücht von der neuen Erfindung von Dampfwagen erregt, die an die Stelle der von Pferden gezogenen Gefährte treten sollen, veranlaßt uns, die neuesten Nachrichten über eine Spekulation, an welche so viele Interessen geknüpft sind, unsern Lesern mitzutheilen.

Der Wagen, von dem so oft in allen Tagblättern der letzten Zeit die Rede war, ist die Erfindung von Mr. Gurney, einem durch sein Werk „Lectures on chemical science“ in der gelehrten Welt vortheilhaft bekannten Manne, der, nach einer Menge von Versuchen während der beiden letzten Jahre, seinen Plan nun zur Vollendung gebracht hat. Wir haben kaum nöthig, zu sagen, daß bei der Ausführung eines solchen Werkes große Schwierigkeiten zu überwinden waren; aber es muß jedem Freunde wissenschaftlicher Bestrebungen angenehm seyn, zu erfahren, daß Mr. Gurney endlich die Belohnung für seine eben so verständige, als unermüdliche Ausdauer gefunden hat. Der Wagen ist, in allen seinen Theilen vollendet, von sachverständigen Männern aus allen Ständen in Regents-Park, wo er ausgestellt war, besichtigt worden; sie haben denselben in Bewegung gesehen, – sie haben die Leichtigkeit bemerkt, mit welcher er geleitet wird, die Schnelligkeit seines Fortrollens, die Einfachheit seiner Bauart und vor allem seine vollkommene Sicherheit, und der Erfolg hat sie überzeugt, daß derselbe in kurzer Zeit allgemeine Aufnahme finden wird, und besonders daß die Anwendung desselben Princips auf andere Zugarten in kurzem die viel kostspieligere Benutzung der Pferde völlig verdrängen muß.

Daß bei der ersten Erwähnung einer Dampfmaschine, die mit einem Wagen in Verbindung gesetzt sey, die Furchtsamen Lärm zu schlagen anfingen, kann uns nicht in Verwunderung setzen, zumal, wenn wir bedenken, wie viele traurige Ereignisse sowohl auf den Dampfboten als in den Manufakturen Großbritanniens durch das Bersten der Kessel dieser Maschinen bereits veranlaßt worden sind. Durch die sinnreichen Bemühungen Mr. Gurney’s sind indessen die Besorgnisse dieser Art beseitigt worden; und wir können mit voller Ueberzeugung sagen, daß selbst durch das Bersten seines Dampfkessels den Passagieren nicht die mindeste Gefahr drohte. Dieser ist von cylinderartiger Form und nach einem von allen früheren völlig verschiedenen Plane gebaut. Statt daß derselbe, wie dieß gewöhnlich der Fall ist, ein großes, mit Ausnahme der Klappen und der Dampfconductors, auf allen Seiten verschlossenes Gefäß wäre, welches durch einen zu hohen Druck oder einen zufälligen Fehler gesprengt werden und in seine Zerstörung die seiner ganzen Umgebung hineinziehen könnte, besteht der von Mr. Gurney erfundene aus einer Reihe von ungefähr 40 zusammengeschweißten Eisenpfeifen, die in der Art der gewöhnlichen Gasröhren in bestimmten Entfernungen zusammengeschraubt sind und etwa anderthalb Ellen (Yards) in gerader Linie, gleich weit von einem kleinen Wasserbehälter entfernt fortlaufen, dann einen Halbzirkel von ungefähr einer halben Elle im Durchmesser beschreiben und in Parallellinien gegen die untern Röhren zurückkehren, zu einem oberhalb derselben angebrachten Behälter, indem sie auf diese Weise eine Art von umgekehrtem Hufeisen bilden. Der Raum zwischen diesem Hufeisen, welches den Dampfkessel bildet, ist der Ofen; und das Ganze ist von Gußeisen umschlossen.

Die Vortheile dieser Anordnung sind augenscheinlich; denn während eine mehr als hinreichende Quantität von Dampf erzeugt wird, ist der einzige mögliche Unfall, der sich ereignen kann, das Bersten einer dieser Pfeifen und eine temporäre Verminderung der Dampfkraft um ein Vierzigtheil. Die Wirkung dieses Unfalls wäre demnach auf den eigenen Umfang desselben beschränkt, und der Maschinenmeister könnte in zehn Minuten den Schaden bessern, indem er die verletzte Röhre herauszöge und die Oeffnungen an beiden Seiten verstopfte, zu welchem Ende er mit den erforderlichen Materialien versehen werden kann; aber außerdem sind die Proben, welchen diese Röhren vor dem Gebrauche unterworfen werden, – indem sie einen fünfhundertmal größeren Druck aushalten müssen, als der, welcher erfordert wird – von der Art, daß das Eintreten dieses Unfalls, so unbedeutend er auch ist, fast rein unmöglich wird. Ein in dieser Art gebauter Dampfkessel, welcher in Mr. Gurney’s Werkstätte seit zwei Jahren täglich arbeitet, ist beständig so fest und unversehrt, als je.

Merkwürdig ist, daß Mr. Gurney, welcher seiner Erziehung nach zum Arzt bestimmt war, die Construction des menschlichen Körpers und des der Thiere im Allgemeinen für seine Erfindung zum Modell genommen hat. Seine Dampf- und Wasserbehälter, oder vielmehr Separators, wie er sie nennt, die wir auf unserm Steindruck an den beiden Enden sehen, sind gewissermaßen die Herzkammern


  1. Mit einer lithographischen Abbildung.
Empfohlene Zitierweise:
: Das Ausland. 1,2.1828. Cotta, München 1828, Seite 41. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Das_Ausland_(1828)_048.jpg&oldid=- (Version vom 23.2.2020)