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Eberhard L. Schuhkrafft: Das Ausland

des Defendente Sacchi aus Pavia, dem nach meinem Erachten alle Erfordernisse eines Romandichters abgehen, viel zu Gute thun wird. Am Ende dieses Jahres (1827) erhielt Italien endlich zwei Romane, würdig des Jahrhunderts und der Nation, welche in der Geistesproduktion keiner Andern den Vorzug einräumt. Den Verfasser des einen, Sibilla Odaleta, können wir nicht angeben, weil derselbe mit wirklich unnöthiger Bescheidenheit verschwiegen bleiben wollte; der andere, I promessi sposi ist von Alessandro Manzoni. Die Sibilla Odaleta [s 1]ist eine Erzählung aus den in der italienischen Geschichte so bekannten Zeiten, da Karl VIII, König von Frankreich, in Italien einfiel, um das Königreich Neapel zu erobern, und ihm, nachdem er sein Unternehmen mit dem unglaublichsten Glücke ausgeführt, kein anderer Wunsch mehr blieb, als wieder wohlbehalten nach Frankreich zurück zu ziehen. Der Roman ist sichtbar Walter Scott nachgebildet, dessen verwandten Dichtungen er auch an lebendiger Schilderung der Zeiten, der Oertlichkeit und der Sitten nicht viel nachsteht. (??) Sein Fehler besteht hauptsächlich darin, daß er historische Personen einführt, denen zum Theil wahre und zum Theil ungeschichtliche Handlungen zugeschrieben werden, so daß die Geschichte mit dem Roman sich vermengt. Allein, dieß ist ein Fehler, der nicht so wohl den Verfasser, als vielmehr die Romanart trifft, und den sich Walter Scott selbst zu Schulden kommen läßt. Dagegen kann man dem Schriftsteller mit Recht den Vorwurf machen, daß es seinem Stil oft an Reinheit und Genauigkeit und beinahe immer an jener Lebendigkeit gebricht, welche bei Werken dieser Art erfordert wird.

Die Promessi sposi, oder die Verlobten sind aus der spanischen Herrschaft in Italien genommen, und schildern das Land, wie es, von dem zu weit entfernten Hofe der Willkür der Lehnsleute und der kleinen Herren preisgegeben, in den Händen von Ministern sich befindet, welche die Regierung ihres Herrn und Königs nicht durch Handhabung der Gerechtigkeit beliebt zu machen verstehen. Die Verwicklung des Stückes liegt darin, daß ein gewaltiger Lehnsmann die Hochzeit zweier Leute auf dem Lande zu verhindern sucht, weil er selbst die Braut zur Befriedigung seiner Begierden ausersehen hat; die Pest in jener Zeit (das Stück spielt in den Tagen des Kardinals Borromeo) und die Revolution in Mailand, eine Folge hauptsächlich der durch unvorsichtige Verordnungen der bestehenden Regierung herbeigeführten Theurung, sind die beiden großen Episoden des Romans. Wir nennen sie Episoden, weil wir glauben, daß den eigentliche Roman die Abentheuer der Verlobten ausmachen, von denen das Buch den Namen führt. Der Verfasser hat übrigens seinen beiden Nebenerzählungen eine solche Ausdehnung gegeben, daß sie die Hauptstelle im Werke einnehmen. Deßhalb ist das Interesse nicht immer gleich lebhaft angesprochen, zuweilen tritt der eigentliche Gegenstand der Theilnahme für die Schicksale der Verlobten zu sehr in Hintergrund, und nur jenes allgemeine Interesse bleibt, das in den Werken eines großer Schriftstellers niemals fehlt.

Manzoni’s Roman theilt mit der Sibilla Odaleta den Ruhm, der erste, wirkliche Roman in Italien zu seyn, da beide zu gleicher Zeit erschienen, jeder aber besonders darthut, daß die italienische Sprache für diesen Zweig der Literatur äußerst geeignet ist, was Einige ihr abstreiten wollten. Wahr ist’s, in Hinsicht des Vortrags halten Manche die Verlobten für zu breit, Andere fanden ihn zu kleinstädtisch (municipale), und wieder Andere zu wenig edel; darin aber kommen Alle überein, daß die Wörter und Wortfügungen durchaus rein und genau sind, der Periodenbau dem Genius der italienischen Sprache immer getreu bleibt, und überall die nöthige Deutlichkeit mit dem Nachdruck des Ausdrucks zu verbinden weiß. Erfreulich war uns zu vernehmen, daß dieser Roman kaum in dem Ausland angekommen, in Berlin sogleich einen deutschen Uebersetzer fand.


Anmerkungen Wikisource

  1. Carlo Varese, 1793–1866
(Schluß folgt.)


Das chinesische Drama.


(Fortsetzung.)

Die Belustigungen, welche bei Hofe die Stelle des Drama’s ersetzen, sind nach den Begriffen der Europäer viel niederer Art, und mußten denen, welchen das Verbot des Theaterbesuches, als einer unmoralischen Handlung, nicht bekannt war, eine geringe Meinung von der Bildung der höheren Stände beibringen. So unterhielt man z. B. den rußischen Gesandten Ysbrandt Ives im Jahre 1692 in Peking in Gegenwart Sr. kaiserlichen Majestät mit Taschenspielerkünsten, Possenreißereien und Harlekinaden, dagegen ließ auf seiner Rückreise unfern der großen Mauer ein Stadtgouverneur ein eigentliches Drama vor ihm aufführen. Zuerst, heißt es in einer Beschreibung dieser Reise[1], trat ein sehr schönes, junges Mädchen auf, reich in Gold gekleidet und mit Juwelen geschmückt. Sie trug auf dem Haupte eine Krone, und sang mit bezaubernder Stimme. Die Bewegung ihres Körpers und das Spiel der Hände, in deren einer sie einen Fächer hielt, war äußerst angenehm. Dies war der Prolog. Das Stück selbst bewegte sich um einen alten chinesischen Kaiser, der sich um das Land verdient gemacht hatte. Er selbst trat einige Male im vollen kaiserlichen Ornat, einen großen, elfenbeineren Scepter in der Hand, auf, und nicht selten erschienen auch seine Offiziere mit Trompeten, Fahnen und Waffen. Als Zwischenspiel wurde von ihren Bedienten, deren antike Kleidung und buntbemalte Gesichter dem Besten dieser Art in Europa gleichgesetzt zu werden verdienten, eine Posse aufgeführt, welche, so viel ich aus der Verdolmentschung zu entnehmen im Stande war, sehr unterhaltend seyn mußte; besonders einige Scenen, in denen ein Ehemann zu seinem Leidwesen wahrnahm, wie seine ausschweifende Gattin, die vor der Heirath eine sehr tugendhafte Miene angenommen hatte, die Maske abwarf und vor seinen Augen vertrauten Umgang mit andern Männern pflog.

Hr. Bell, der 1719 mit der russischen Gesandtschaft

Empfohlene Zitierweise:
Eberhard L. Schuhkrafft: Das Ausland. Cotta, Stuttgart, München, Augsburg, Tübingen 1828, Seite 730. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Das_Ausland_(1828)_0759.jpg&oldid=- (Version vom 20.11.2023)
  1. Harris’s Voyages, Vol. 2 p. 139.