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Eberhard L. Schuhkrafft: Das Ausland

nach Peking reiste, berichtet, daß die Vergnügungen des Hofes nur in gymnastischen Uebungen, Taschenspielereien und Feuerwerken bestanden. Bei einer Festlichkeit, welche ein kaiserlicher Prinz der Gesandtschaft gab, sah er indessen auch ein Lustspiel. Sieben Soldaten, alle in voller Rüstung, traten auf, die Waffen in der Hand und fürchterliche Larven vor dem Gesicht. Nachdem sie einige Male um die Bühne geschritten waren, wurden sie handgemein, und einer der Helden blieb auf dem Platze. Hierauf stieg unter Wetterleuchten ein Engel aus den Wolken nieder mit einem riesenhaften Schwert und trieb die Kämpfer in die Flucht. Nach vollbrachter That stieg er ebenso, wie er gekommen war, in einer Rauch- und Feuerwolke wieder in die Höhe. Auf diese Scene folgten einige Possen, die mir sehr unterhaltend zu seyn schienen, obgleich ich die Sprache, in der sie verfaßt waren, nicht verstand[1]. Eine Komödie, die ein junger Chinese ihm zu Ehren in einem Gasthofe in Peking aufführen ließ, machte Allen vieles Vergnügen. Die Spielenden bestanden aus Männern und Weibern, die gut gekleidet waren und sich anständig betrugen. [2]

Lord Makartney, in dem von ihm herausgegebenen Tagebuche, beschreibt Seiltänzerkünste, Beschwörungen, Feuerwerke und Ringkämpfe, als die Ergötzlichkeiten, die er sah, als er dem verstorbenen Kaiser Kienlong seine erste Aufwartung machte. Er spricht von diesen Belustigungen mit der tiefsten Verachtung, mit Ausnahme der Geschicklichkeit, welche die Chinesen zeigten, Feuer von allen Farben und in allen Gestalten hervorzubringen. Ihre „schlechten Schaupiele“, wie sie selbst sie nennen, werden folgendermaßen beschrieben: „Die theatralischen Unterhaltungen waren sehr manigfaltiger Art, theils tragischen, theils komischen Inhalts. Meist wurden mehrere kleine Stücke ohne inneren Zusammenhang hintereinander aufgeführt. Einige derselben stellten historische Begebenheiten, andere reine Spiele der Phantasie dar; sie wurden theils in Recitativen vorgetragen, theils gesungen, theils auch, ohne irgend eine Begleitung von musikalischen Instrumenten, bloß gesprochen, aber alle waren voll von Todschlägen, Schlachten und ähnlichen Bühnenereignissen. Zum Beschluß wurde eine Pantomime gegeben, welche nach dem Beifalle zu schließen, den sie fand, für das Höchste gehalten zu werden schien, was Genie und Geschicklichkeit zu erschaffen im Stande ist. Soviel ich beurtheilen konnte, sollte sie die Vermählung des Himmels mit der Erde vorstellen. Die letztere stellte alle ihre Reichthümer und Schöpfungen auf: Drachen, Elephanten, Tiger, Adler, Strauße, Eichen, Fichten und andere Bäume verschiedener Art. Der Ocean blieb nicht zurück. Die Repräsentanten seiner Macht bestanden in Wallfischen, Delphinen, Meerschweinen, Haifischen und andern Seeungeheuern, außerdem in Schiffen, Klippen, Muscheln, Schwämmen und Corallen. Alle diese Dinge wurden von Schauspielern dargestellt, welche die characteristischen Zeichen derselben meisterhaft aufgefaßt hatten. Nachdem diese beiden Chöre einigemal abgesondert von einander ihren Umzug um die Bühne gehalten hatten, vereinigten sie sich und stellten sich im Vordergrunde auf. Nach wenigen Evolutionen theilten sie sich in zwei Reihen, um für den Wallfisch, welcher der befehlshabende Offizier zu seyn schien, eine Straße zu bilden. Dieser stellte sich der kaiserlichen Loge gerade gegenüber, und speite aus dem Rachen einige Tonnen Wasser ins Orchester, welches durch Löcher im Boden wieder verschwand. Diese Operation wurde mit großem Enthusiasmus aufgenommen, und zwei oder drei angesehene Männer, die mir zur Seite standen, konnten nicht umhin, mich angelegentlich darauf aufmerksam zu machen, und wiederholt, mit Zeichen der Bewunderung und Freude: hao! hung, hao! (schön, göttlich!) auszurufen.“ [3] ––

In Barrows Beschreibung der dem niederländischen Gesandten 1795 gegebenen Festlichkeiten werden ebenfalls Taschenspieler, Seiltänzer, und eine Art von Pantomime erwähnt, in welchen Männer, die, in Felle gekleidet, auf allen vieren gingen, und wilde Thiere vorstellten, die Hauptpersonen zu seyn schienen. Sie wurden von einer Gesellschaft junger Leute gejagt, die wie Mandarinen angezogen waren[4]. Kurze Zeit darauf, als der ganze Hof durch eine Mondfinsterniß in’s größte Schrecken versetzt worden war, wurde der Gesandte eingeladen, der Vorstellung einer Pantomime: „Der Kampf des Drachen mit dem Monde“, beizuwohnen. Im Eingange traten zwei- bis dreihundert Priester auf, mit langen Stäben in der Hand, an deren Enden man brennende Laternen befestigt hatte. Sie führten einige Bewegungen aus, tanzten und sprangen herum, bald auf dem Boden, bald über Tische und Stühle, und belustigten auf diese Weise den Kaiser und seine Hofleute nach Kräften. Hierauf erschien eine Anzahl Chinesen, welche zwei große, aus Seide oder Papier gefertigte, blau angestrichene, weißgeschuppte und mit brennenden Lampen gefüllte, Drachen trugen. Nachdem die Drachen mit gebührendem Respecte den Kaiser begrüßt hatten, bewegten sie sich mit großer Gewandtheit hin und wider, als plötzlich der Mond erschien, auf den sie unverzüglich Jagd machten. Er stellte sich indessen furchtlos zwischen sie und die zwei Drachen, welche, nachdem sie ihn eine Zeitlang betrachtet, und wahrscheinlich eingesehen hatten, daß er ein zu großer Bissen für sie seyn würde, es für gerathener hielten, sich unverrichteter Sache zurückzuziehen, was sie dann auch sogleich glücklich ins Werk setzen. Der Mond bildete sich auf diesen Triumph nicht Wenig ein und ging gravitätisch ab, obwohl er von seiner Anstrengung merklich erhitzt war.[5]

Uebrigens scheint es, daß Trivialität und Albernheit noch die geringsten Fehler des chinesischen Dramas sind; einige von ihren Stücken müssen über die Maßen schmutzig und unanständig genannt werden. Barrow sah unter andern eine Frau, welche ihren Mann umgebracht hatte und zum Scheiterhaufen verurtheilt worden war, auf dem Theater ohne eine Spur von Bekleidung erscheinen.

Empfohlene Zitierweise:
Eberhard L. Schuhkrafft: Das Ausland. Cotta, Stuttgart, München, Augsburg, Tübingen 1828, Seite 731. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Das_Ausland_(1828)_0760.jpg&oldid=- (Version vom 20.11.2023)
  1. Bell’s Travels from Petersburgh, p. 288.
  2. Ibid. 310.
  3. Life of the Earl of Macartney, Vol. 2.
  4. Barrow’s Travels in China, p. 216.
  5. Voyage à Pekin, Vol. 1 p. 421.