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Eberhard L. Schuhkrafft: Das Ausland

     Luh. Schanglang, Ihr waret angewiesen, dem Yinsun hundert Unzen auszuzahlen, wie kommt es, daß Ihr ihm nicht mehr als achzig gegeben habt? – Habt Ihr zwanzig für Euch behalten?

     Schanglang. Vater, ich habe ihm hundert Unzen gegeben.

     Yin. Hier ist das Geld; zählt es!

     Schanglang. Gebt mir es, ich will’s zählen. – Siebenzig Unzen – achzig Unzen; (er schüttelt das Fehlende aus dem Aermel) – ist das Geld nicht da? Ihr habt Euch um zwanzig Unzen verrechnet.

     Yin. Nein, Schanglang, Ihr müßt Euch verrechnet haben; ihr habt eben die fehlenden zwanzig aus dem Aermel geschüttelt. Doch, ich verlasse jetzt Eure Schwelle, und wenn ich auch vor Hunger und Kälte sterben sollte, so will ich sie doch niemals mehr betreten.

Yinsun (allein.)

     Mein Oheim wäre um meines Vaters Willen nicht abgeneigt, für mich zu sorgen, aber meine Tante ist zu sehr für ihren Schwiegersohn Schanglang eingenommen. Er, dem es so wohl geht, heißt Schang und gehört einer fremden Familie an, – ich, der ich leiden muß, heiße Luh und bin aus der ihrigen. – Ach, Yinsun, warum sprichst du von der Bosheit Anderer, während du dein eigenes unseliges Schicksal beweinen solltest?

Ich schau empor und seufze sehr,
Und neige das Auge thränenschwer.
Man hegt und pflegt den Unbekannten,
Und stößt hinweg den Blutsverwandten! –

 (Ab.)

Luh-tsung-scheu (allein.)

     So! Yinsun ist fort. Ich hatte die Absicht mein Vermögen zwischen ihm und meiner Tochter in gleiche Theile zu theilen; denn ich denke, wenn der Mann ein Alter von acht mal acht oder 64 Jahren, und die Frau ein Alter von sieben mal sieben oder 49 Jahren erreicht haben, so dürfen sie nicht mehr an Kinder denken; und ich brauche nur noch 4 Jahre, um so alt zu seyn. Indessen Seaumei ist schwanger, aber wer will entscheiden, ob mit einem Knaben oder mit einem Mädchen? – Ich fürchte, daß meine Familie nach meinem Vermögen trachtet, und deshalb ihre Gesinnung gegen sie ändert. Ich will sie also mit meinem Willen bekannt machen. – Schanglang!

Luh-Tsung-scheu, seine Frau, Tochter, Schanglang, Seaumei.

     Die Frau. Jetzt erst, da Dein Neffe fort ist, bekümmerst Du Dich um Deinen Schwiegersohn.

     Luh. Wißt Ihr schon, was ich zu ihm sagen will?

     Die Frau. Ich nicht; was wollt Ihr sagen?

     Luh. Schanglang, es ist bereits 10 Jahr, daß Ihr mein Schwiegersohn seyd. Ich und meine Frau sind alt geworden, ohne daß wir einen Sohn haben. Könntet Ihr uns wohl allein lassen? – Wohnet in Zukunft bei uns!

     Die Frau. Kinder, bedankt Euch bei euerm Vater.

     Luh. Du siehst, Frau, sie sind sehr zufrieden. – Schanglang, bringe mir die Rechnungsbücher, worin meine ausstehenden Schulden verzeichnet sind, ich will sehen, wie hoch sich die Summe beläuft.

     Schang. Hier ist das Buch, Herr!

     Luh. Seaumei, bring mir eine Kohlenpfanne.

     Seaumei. Hier ist die Kohlenpfanne.

     Luh. (Er wirft einige von den Schuldscheinen ins Feuer.) So verbrenn’ und zerstör’ ich Alles. (Schlanglang greift ins Feuer, um die Papiere zu retten.) So? Fürchtet Ihr Euch nicht vor dem Feuer? – Was will der Narr mit den Papieren?

     Die Frau. Wenn ich bedenke, daß Deine Handelspläne in jüngeren Tagen Dich an das äußerste südliche und nördliche Ende der Welt getrieben haben, daß Du bald in Böten auf den Canälen, bald zu Pferde über Land geeilt bist, daß Du über Ströme, ja über die See gefahren bist, und Geld ausgeliehen hast, für welches Dir diese Scheine gegeben worden sind; wie kommt es, daß Du Dir jetzt so wenig daraus machst?

     Luh. Ich habe nicht nöthig, so kleine Summen ängstlich zu berechnen; weißt Du nicht, daß ich hunderttausend Unzen Silber im Vermögen habe?

     Die Frau. Ja, und noch mehr.

     Luh. Ich nehme jetzt mein Geld, theile es in gleiche Theile und will die eine Hälfte Euch, meine Kinder, geben; die andere Hälfte erhältst Du, Frau.

     Die Frau. Kinder, bedankt Euch bei Euerm Vater.

     Schanglang. Vater, wir danken Euch.

     Luh. Du siehst, sie sind sehr zufrieden. Frau, halte wohl Haus mit der einen Hälfte. Jeder Mensch in Tung-Ping-Fuh sagt von mir: „der alte Bursch ist reich, und weiß nicht, was er damit anfangen soll; er kann mit Niemand theilen, er ist ein armseliger Sclav.“ – Jetzt will ich mein Geld genießen, und ein paar lustige Jahre mit meinen Freunden zusammen leben.

     Die Frau. Das ist recht, Mann, das ist recht.

     Luh. Ich will ein paar Tage in meinem Landhause wohnen.

     Frau. Ich will den Befehl geben, Dir ein Pferd herzurichten. – Wenn Du nicht zu Hause bist, brauchst Du Dich nicht um die Wirthschaft zu kümmern; wenn ich nur da bin, kannst Du außer Sorgen seyn.

     Luh. Ich hab’ ein Wort mit Dir zu sprechen, Frau; soll ich reden?

     Frau. Es mag seyn, was es will, sprich!

     Luh. Dann hoffe ich bald von Dir ein Glückwunschschreiben zu erhalten. Womit vergleich’ ich doch Seaumei? Wenn ich einen Kahn von meinem Nachbar leihe, um Wein nach Hause zu holen, so behalte ich ihn, bis ich den Wein habe, dann stelle ich den Kahn seinem Eigenthümer zurück. Seaumei ist jetzt schwanger. Ob sie einen Knaben oder ein Mädchen zur Welt bringt, so das Kind dein Eigenthum. Dann kannst Du sie aus Deinem Dienst entlassen oder behalten, wie es Dir am Besten gefällt; das steht ganz bei Dir.

     Die Frau. Du hast Recht, Mann!

     Luh. Frau!

     Die Frau. Was hast Du noch zu sagen?

     Luh. Das Mädchen, die Seaumei, ist manchmal naseweis gegen Dich gewesen, ich fürchte, daß sie nicht anders werden wird. Aber wenn sie Strafe verdient,

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Eberhard L. Schuhkrafft: Das Ausland. Cotta, Stuttgart, München, Augsburg, Tübingen 1828, Seite 746. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Das_Ausland_(1828)_0775.jpg&oldid=- (Version vom 20.11.2023)