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Eberhard L. Schuhkrafft: Das Ausland

gesetzt, ihre Producte zu billigern Preisen zu liefern; sie erdrücken auf diese Weise Alle, die sich nicht derselben Mittel bedienen können. Dieses Resultat, zu welchem wir die Industrie überall gelangen sehen, ist indessen von dem Ackerbau in Frankreich noch nicht erreicht worden. Hier sind die großen Grundbesitzungen die am Schlechtesten angebauten; und so lange nicht die Annahme des Systemes der Wechselwirthschaft und aller der vervollkommneten Ackerbaugeräthe den Ertrag des Bodens gehoben hat, wird die Theilung des Landeigenthumes bei jedem Verkaufe zunehmen, weil bei der Concurrenz zwischen den Käufern aus allen Ständen die Güter nothwendig denen in die Hände fallen müssen, welche den größten Nutzen davon zu ziehen wissen, weil diese den höchsten Preis dafür bieten können. Ein einziger Umstand hält dieses allgemeine Streben nach der Theilung der Güter noch einigermaßen zurück. Die Aristocratie, welche durch die Revolution zu Grunde gerichtet, durch die Restauration sehr großmüthig entschädigt worden ist, hat in Frankreich noch Mehr als die Hälfte von allem Grund und Boden behalten; sie hat aber ihre Verschwendungssucht verloren, und da sie die Fonds, welche sie von ihren Einkünften erspart, auf keine andere Weise zu verwenden weiß, legt sie dieselben häufig auf den Ankauf von Ländereien an. Dieß ist indessen ein Umstand, welcher der allgemeinen Bewegung keinen Damm entgegensetzen kann.

Die Mehrzahl der großen Eigenthümer sind, da sie ihre Güter zu keinem andern Zweck benutzen, als sie zu verpachten, Nichts als Darleiher. Ist es nicht sonderbar, daß man fast immer das Interesse dieser Menschen mit dem der Agricultur verwechselt und identificirt hat, welchem es doch eben so fremd ist, als das Interesse dessen, der sein Geld ausleiht, den Unternehmungen seiner Schuldner? Man verurtheilt ohne Gnade die Härte eines Wucherers, aber man rühmt die Gewandtheit des reichen Grundeigenthümers, der sein Gut zu einem übermäßigen Preise verpachtet; und Niemand fällt es ein, daß beide doch nur ein und dieselbe Sache thun. Die allgemeine Unkenntniß der wahren Grundsätze der Staatshaushaltung erhält diese albernen Vorurtheile, die nur dazu beitragen, die politische Wichtigkeit der unthätigen Classe zu vermehren, deren Vermögen fast insgesammt in Grundbesitz besteht.

Wenn die Grundeigenthümer ihre Güter nicht selbst bauen, so ist der wichtigste Umstand in Bezug auf den Anbau derselben, die Art ihrer Verpachtung. Diese ist im Allgemeinen in Frankreich äußerst schlecht. Mit der einzigen Ausnahme von Flandern und den wenigen Provinzen, in denen das System der Wechselwirthschaft seit sehr langer Zeit befolgt wird, ist die Dauer der Pachtcontracte viel zu kurz, als daß der Pächter Zeit hätte, die Ausgaben, welche die Einführung einer neuen Culturmethode immer nothwendig macht, wieder zu gewinnen und von dieser Veränderung einigen Vortheil hoffen zu dürfen. Ja, in einem sehr großen Theile des Königreiches, in allen den mittleren Provinzen, gibt es in der Regel nicht einmal Pächter (fermiers). Die Güter werden durch unglückliche Meier (metayers) bestellt: Taglöhner, die für drei Jahre alle Arbeiten des Anbaues übernehmen, und dafür von dem Eigenthümer die Hälfte des Rohertrages erhalten. Der Bauer bringt seinen Arm, seine Unwissenheit und seinen guten Appetit mit; der Eigenthümer vertraut ihm einen bereits erschöpften Boden an, alle Geräthe, die zu einer schlechten Bearbeitung desselben erforderlich sind, das Getreide für die erste Aussaat und selbst einen Vorrath, von dem er mit seiner Familie leben kann bis zur nächsten Ernte. Der Bauer arbeitet, säet und erntet; wenn er und die Seinigen gesättigt sind, so gehört alles Uebrige, was er gewonnen hat, dem Eigenthümer. Zuweilen tritt zwischen den Gutsbesitzer und den armen Bauer noch ein drittes Individuum unter dem Namen des Pächters in die Mitte, meist ein verschlagener Einwohner einer kleinen Ortschaft, der dem Ersteren für den Ertrag der Arbeit des Zweiten ein festes und von dem Ausfall der Ernten und dem Getreidepreis unabhängiges Einkommen sichert. Dieser Mensch nimmt keinen thätigen Antheil an den Arbeiten des Ackerbaues; aber er ist bei allen Einsammlungen der Ernten zugegen, er verfolgt den Bauer auf allen seinen Schritten, um sich der ihm gebührenden Hälfte zu bemächtigen. Seine Geschicklichkeit besteht darin, sich mehr als diese Hälfte zu verschaffen, und da er lesen und schreiben kann, was der Bauer gewöhnlich nicht versteht, so hat er tausend Mittel, die Rechnungen mit ihm zu verwirren und zuletzt ihn zu bestehlen. Unter diesem beständig gegenwärtigen Herrn ist die Lage des Bauern noch viel elender. Dieser Pächter, der gewöhnlich einige Vorschüsse gemacht hat, zahlt die Rente des Eigenthümers mit vieler Regelmäßigkeit, er macht mit dem Verkauf seiner Produkte kleine Speculationen und zuweilen bereichert er sich. Sein Dazwischentreten ist für den Eigenthümer sehr bequem, da dieser dadurch aller Aufsicht überhoben wird und zugleich einige Garantie für die Zahlung erhält; aber es ist verderblich für den Landbau, weil es den Bauern im äußersten Elende hält, der sein Feld sorgfältiger bestellen würde, wenn er in guten Jahren einige Ersparnisse machen könnte. So wird der Ackerbau das letzte unter allen Gewerben!

(Schluß folgt.)


Mexico.

(vorerst unberücksichtigt)

Empfohlene Zitierweise:
Eberhard L. Schuhkrafft: Das Ausland. Cotta, Stuttgart, München, Augsburg, Tübingen 1828, Seite 758. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Das_Ausland_(1828)_0787.jpg&oldid=- (Version vom 20.11.2023)