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Eberhard L. Schuhkrafft: Das Ausland

Das Ausland.
Ein Tagblatt
für Kunde des geistigen und sittlichen Lebens der Völker,
mit besonderer Rücksicht auf verwandte Erscheinungen in Deutschland.

Num. 191. 9 July 1828.

Fortschritte der Agricultur in Frankreich.


(Schluß.)

Die französische Gesetzgebung stellt allen Verbesserungen des Ackerbaues große Hindernisse in den Weg. Die Abschaffung des Waiderechts auf den leeren Feldern würde die Fortschritte der Agricultur wirksamer befördern, als alle Preise, die von der Regierung seit dreißig Jahren vertheilt werden. Die Gesetze für den Feldbau sind in Frankreich dieselben geblieben, wie zu der Zeit vor 1788; die einzige administrative Erfindung der Revolution, die aber deshalb um nichts zweckmäßiger geworden ist, war die des Cadasters, die, um einige alte und durch den Verlauf der Zeit längst ausgeglichene oder verwischte Ungerechtigkeiten gut zu machen, noch jetzt täglich neue begeht, und durch die Furcht vor den unaufhörlichen Revisionen eine Menge nützlicher Arbeiten hemmt. Als die Regierungen zuerst eine Grundsteuer auferlegten, zogen sie einen Theil von den Einkünften aller Landgüter an sich und verminderten dadurch um einen verhältnißmäßigen Theil den Capitalwerth der Güter selbst. Die Steuer lastete zu der Zeit, wo sie auferlegt wurde, nur auf den Grundbesitzern; der Besitzer, der nach der Einführung derselben sein Gut verkaufen wollte, erhielt, wenn die Steuer z. B. ein Fünftheil des Ertrages ausmachte, den fünften Theil des Werthes weniger, den das Gut früher hatte. Seit dieser Zeit haben aber alle Besitzungen unzählige Male ihre Herren gewechselt, sey es durch Erbschaft, die freiwillig angenommen wurde, oder durch Verkauf, der eben so freiwillig eingegangen wurde. So ungleich, so ungerecht also auch die ursprüngliche Vertheilung der Steuer gewesen seyn mochte, so traf diese Ungerechtigkeit doch nur den ersten Besitzer und sie hörte auf, so wie das Gut in andere Hände überging. Gegenwärtig ist jeder Steuernachlaß ein Geschenk, auf welches Niemand das Recht hat, Ansprüche zu machen; weil Jeder, der ein Grundstück kaufte, den Belauf der Abgaben kannte, die davon entrichtet werden mußten, und seinen Kaufpreis nur nach dem reinen Ertrag desselben, mit Abzug aller Lasten, bezahlte; und eben so ist jede Steuererhöhung eine neue Confiscation, wie es die erste Einführung der Auflage war. Die Cadastralrevisionen, die in der Absicht geschehen, die Abgaben in ein gleichmäßiges Verhältniß zu den Einkünften zu bringen, bedrohen daher unablässig den thätigen Mann, der seine Arbeit und seine Capitalien darauf verwandt hat, seinen Grund und Boden zu verbessern, in seinem rechtlichen Besitz; während sie dem nachlässigen, der seine Güter aus Faulheit sich verschlechtern läßt, eine Verminderung der Steuer versprechen: sie sind daher eine wahre Strafe, die der Arbeit auferlegt, und zugleich eine Belohnung, die dem Müssiggange ausgesetzt wird.

Ungeachtet aller der Ungleichheiten in dem Verhältniß der Abgaben zu den Einkünften, welche durch den Cadaster verschwunden seyn sollen, bestehen deren doch noch außerordentlich große. Es giebt Ländereien, wo die Abgaben sich auf ein Dritttheil des Ertrages belaufen; andere bezahlen nur ein Fünfzehntheil. Ob dieses Mißverhältniß sich von der ursprünglichen Ungleichheit der Steuervertheilung, oder von den verschiedenen Verbesserungen herschreibt, die später auf den anfangs gleichmäßig besteuerten Gütern eingeführt wurden; so ist sie immer ein gleichtreffender Beweis von der Ungerechtigkeit aller Cadastralrevisionen. Außerdem ist der Netto-Ertrag einer Besitzung, in Hinsicht auf ihren Kaufpreis, vollkommen unabhängig von dem Verhältniß der Steuern, die darauf lasten, zu dem Brutto-Ertrag. So sind in dem Departement der Somme z. B. viele Güter zu einem Dritttheil ihres Ertrags besteuert, während sie dieß in dem benachbarten Departement von Pas de Calais nur zu einem Fünftheil sind, und dennoch finden wir, daß die Landerwerbungen in dem einen dieser Departements nicht vortheilhafter sind, als in dem andern; in dem der Indre und Loire (Tours), wo man nur ein Zehntheil oder Zwölftheil des Ertrages zahlt, sind die Erwerbungen weniger vortheilhaft; statt 2½ oder 3 Prc. zu bringen, wie in den Departemens der Seine und des Pas de Calais, bringen hier die Grundbesitzungen kaum 2 Prc.; und in mehreren Departemens der Mitte, wo die Steuern im Durchschnitte ungefähr ein Sechstheil des Einkommens betragen, bringt die Anlegung von Geldern in liegenden Gründen oft 4 und zuweilen 5 Prc.

Diese Ungleichheit ist schwer zu erklären. Man begreift nicht, wie man in einem und demselben Lande durch Grunderwerb mit 100,000 Franken 4000 Franken Renten kaufen kann, während man in einer benachbarten Provinz, vielleicht dreißig oder vierzig Lieues entfernt, für denselben Preis nur 2500 oder höchstens 3000 Franken erhält. Die Departemens im Innern von Frankreich, die am Schlechtesten angebaut und in jeder Beziehung die elendesten sind, wo man viele Ländereien noch nicht einmal urbar gemacht hat, sind diejenigen, wo die Landerwerbungen sich am Vortheilhaftesten finden, und 4 oder 4½ Prc. von den dazu verwandten Capitalien tragen. Im Gegentheil

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Eberhard L. Schuhkrafft: Das Ausland. Cotta, Stuttgart, München, Augsburg, Tübingen 1828, Seite 761. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Das_Ausland_(1828)_0790.jpg&oldid=- (Version vom 20.11.2023)