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Eberhard L. Schuhkrafft: Das Ausland

sind es die Provinzen, wo die Cultur seit langer Zeit ihre höchste Vollkommenheit erreicht hat, wo keine Verbesserung und folglich auch keine Vermehrung des Ertrages mehr möglich scheint, wie Flandern, das Elsaß, die Normandie, einige sehr fruchtbare Thäler im Innern, die Limagne von Auvergne u. a., wo man es schwer findet, mehr als 2 Prc. Interessen von den Capitalien zu erhalten, die man auf den Ankauf von liegenden Gründen verwendet. So kann man also sagen, daß in Frankreich die Landerwerbungen in den armen Gegenden vortheilhafter sind, als in den reichen. Zur Erklärung dieser auffallenden Erscheinung wird man kaum Etwas anführen können, als daß man für die Zahlung des Pachtgeldes in den letztern größere Sicherheit hat, als in den erstern. Vielleicht muß man indessen auch noch in Anschlag bringen, daß es angenehmer ist, in einer reichen Provinz zu wohnen, als in einer armen, wo man beständig das traurigste Bild des Elends vor Augen hat.

Wir müssen in Frankreich zwei, in Bezug auf das Clima, scharf von einander getrennte Länder unterscheiden; das eine, wo die Milde der Winter die Cultur des Oelbaumes gestattet, das nur aus einigen Departemens besteht, die von dem mittelländischen Meere bespühlt werden; das andere, wo der Anbau dieses Baumes nicht möglich ist, und dieses begreift das ganze übrige Königreich. Beide haben völlig verschiedene Producte und müssen daher auch völlig verschiedene Methoden des Anbaus haben. Bisher ist nur von den Verbesserungen dieser Methoden, die dem nördlichen Frankreich zu empfehlen sind, die Rede gewesen; aber die Provence hat ein System des Ackerbaus, welches der Beschaffenheit ihres Bodens und ihres Climas eben so wenig angemessen ist. Der Zustand von Feindseligkeit, der lange Zeit zwischen den verschiedenen Provinzen von Frankreich bestand, legte früher einer jeden einzelnen die Nothwendigkeit auf, alle ihre Bedürfnisse sich durch den Ackerbau selbst zu verschaffen. Während dieser langen Blocade, die durch unaufhörliche Kriege und Fehden unterhalten wurde, war jede Provinz genöthigt, sich auf den Anbau von Producten einzulassen, die zu einer Zeit des Friedens und der Handelsfreiheit gewiß dem Lande fremd geblieben wären. So hat man Getreide in Bergländern gebaut, wo der Anbau desselben sehr kostspielig und die Ernte äußerst unsicher ist; so hat der Weinbau sich viel zu weit im Norden ausgedehnt, wo die Fröste des Frühlings, die Regen des Sommers und die kalten Nächte des Herbstes zuweilen die ganze Ernte vernichten oder wenigstens die Trauben nicht zur Reife kommen lassen. Kurz es scheint, daß die Forderungen der Natur bei der Vertheilung der verschiedenen Arten des Feldbaus in Frankreich so gut als gar nicht berücksichtigt worden sind. Hieraus geht die außerordentliche Verschiedenheit des Werthes derselben Producte in der einen und in der andern Provinz hervor; so ist z. B. der Durchschnittspreis des Getreides in den innern Provinzen beinahe um die Hälfte geringer, als in denen am Gestade des mittelländischen Meeres, und die gemeinen Weine des Südens kosten durchgehends vier oder fünfmal Weniger, als die gemeinen Weine des Nordens. Dieser Zustand der Dinge, wo eine große Menge Ländereien für eine Cultur verwendet wird, zu der sie nicht geeignet sind, muß für die Production im Ganzen sehr nachtheilig seyn; erhalten wird er nur durch die Schwierigkeit und den theuren Preis der Transportmittel. Seit dem Frieden hat man in Frankreich zwar angefangen, einige Canäle anzulegen, aber diese sind in commercieller Hinsicht nicht von Wichtigkeit. Der Süden und der Norden ist es, den man in Verbindung setzen sollte. Den Canal der Rhone müßte man eröffnen; dadurch würde eine Revolution in der Landwirthschaft der südlichen Provinzen bewirkt werden. Sobald das Getreide des Nordens mit geringen Kosten zu erhalten wäre, würde die Provence sich gezwungen sehen, den Anbau der Cerealien, der in ihrem trockenen Clima so unsicher ist, ganz aufzugeben; dagegen würden ihre Weine, die gegenwärtig beinahe gar keinen Werth haben, weil sie keinen Markt finden, sich über das ganze übrige Frankreich verbreiten, wo die Cultur des Weinstocks nur in einigen bevorzugten Cantonen von Bourgogne und der Champagne beibehalten werden würde, in denen die Lage, der Boden und vielleicht auch die größere Sorgfalt des Winzers den nachtheiligen Einfluß der geographischen Breite aufwiegen und einen Wein von ausgezeichneter Qualität und sehr hohem Preis erzeugen.

Wenn der Absatz des Weines in der Provence nicht mehr auf die sehr mäßige Consumtion der nüchternen Bevölkerung und die sehr unbedeutenden Nachfragen vom Auslande her beschränkt seyn wird, so wird er sich über viele Felder ausdehnen, die gegenwärtig vom Getreide eingenommen werden; vielleicht wird einst, wenn die Freiheit den Landbau in der spanischen Halbinsel und in Griechenland wieder emporgebracht hat, der Weinstock im südlichen Frankreich selbst den Olivenbaum verdrängen. Denn mit Ausnahme weniger Striche in der südlichen Provence hat der Oelbaum seit zwanzig Jahren durch ungewöhnlich harte Winter Viel gelitten; und sein Ertrag ist daher einer Rente zu vergleichen, die periodischen Reductionen ausgesetzt ist, und oft durch einen Banquerott ganz aufhört. Viele Grundbesitzer in der Provence und in Languedoc, die durch die Fröste von 1826 ihre Olivenpflanzungen zu Grunde gerichtet sahen, haben schon jetzt die Oelbäume durch Weinstöcke und Mandelbäume ersetzt; andere haben Maulbeerbäume gepflanzt und diese haben sich am Besten befunden. Die Erziehung der Seidenwürmer ist ohnehin in diesem Augenblicke unter allen Zweigen der landwirthschaftlichen Industrie, denen das südliche Frankreich sich ergeben kann, der vortheilhafteste; und doch gibt es nur eine sehr geringe Anzahl von Districten – in den protestantischen Cevennen – wo dieselbe jene Ausdehnung erreicht hätte, deren sie fähig ist. Der Anblick der reichen, thätigen und sittlichen Bevölkerung dieses Landstriches bildet den auffallendsten Gegensatz gegen das tiefe Elend und die grobe Unwissenheit der benachbarten Gegenden, welche diese Quelle des Reichthums noch nicht benutzt haben.

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Eberhard L. Schuhkrafft: Das Ausland. Cotta, Stuttgart, München, Augsburg, Tübingen 1828, Seite 762. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Das_Ausland_(1828)_0791.jpg&oldid=- (Version vom 20.11.2023)