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Das Ausland. 1,2.1828

von den uneigennützigen Diensten eines französischen Kaufmanns, Namens Lyon, aus Marseille, herschreiben soll, laßen wir dahin gestellt seyn.

So wahr es ist, daß bei einem orientalischen Despoten – und einen solchen, keinen Monarchen im europäischen Sinne, sehen wir in Mehemed Ali – die Erklärung vieler seiner Regentenhandlungen blos in persönlichen Eindrücken und Beweggründen zu suchen ist: so glauben wir doch bei dem Beherrscher Egypten’s voraussetzen zu müßen, daß er zu sehr Politiker sey, um den menschlichen Gesichtspunkt vorherrschen zu lassen. Mehemed Ali kennt Europa, und noch mehr – er braucht Europa: er ist Kaufmann und König; mit der Civilisation seines Landes muß auch seine Macht steigen. Dieß weiß er; die gute Meinung der Europäer für sich zu gewinnen, ist deswegen eben so sehr eine Aufgabe seines Ergeitzes, als seines wohlverstandenen Vortheils. Um Schiffe zu bauen, Heere zu discipliniren, Manufakturen einzurichten, kurz um immer reicher und mächtiger zu werden, bedarf er der Kunst fränkischer Baumeister, fränkischer Taktiker, fränkischer Fabrikarbeiter. Je menschenfreundlicher, je artiger, je weniger paschamäßig er sich gegen diese Leute beträgt, desto leichter und wohlfeiler erhält er ihre Dienste; je gewissenhafter und zuverläßiger er in der Erfüllung von Verbindlichkeiten ist, die er übernommen hat, desto mehr Kredit gewinnt er. Ein Mann, der seine Eroberungsplane über Sennàr und Dàrfur, Arabien und Griechenland ausdehnt, kann in Finanzverlegenheiten gerathen. Wenn er dann und wann auch seine Egyptier brandschatzt, so läßt sich doch diese Operation nicht zu oft wiederholen, weil ihnen dadurch nicht bloß die überflüßigen Säfte entzogen, sondern die Lebensgeister selbst angegriffen werden. Nur der Handel mit Europa sichert ihm unversiegbare Geldquellen, die seine großen Unternehmungen möglich machen. Da er aber die Vortheile dieses Handels allein und ohne Konkurrenz seiner Unterthanen genießen will, so beruht derselbe auch allein auf seinem Kredit. Wir sind überzeugt, daß, wenn der Pascha von Egypten oder der Großsultan im Falle wären, Anlehen in Europa aufnehmen zu müssen, dem ersteren die Sache weit leichter werden würde, als dem letztern, wiewohl offenbar Mahmud’s Regierung, die nicht besser scheint, als sie ist, und wahrscheinlich also auch unter jedem Nachfolger in der gewohnten Weise fortgesetzt wird, mehr Garantie gibt, als die Mehemed Ali’s, die den Wohlstand und die ganze Lage Egypten’s von der zufälligen Persönlichkeit seines Fürsten abhängig macht, ohne daß sie durch Begründung fester politischer und moralischer Institutionen im Lande selbst und im Volke eine bessere Zukunft vorbereitete.

(Fortsetzung folgt.)

Erinnerungen aus Italien.

Von einem englischen Gentleman.

(Fortsetzung.)


Der spanische Platz und die Propaganda.

Ich gehe über die Piazza di Spagna; alle Häuser sind hier frisch geweißt, was man ohne Zweifel den Fremden, namentlich den englischen Reisenden verdankt, die unaufhörlich auf Reinlichkeit dringen. Diese Purifikation des spanischen Platzes, der sonst mit allem Unflath Roms überschüttet war, ist in der That eine jener neuern Heldenthaten, deren Ruhm Großbritannien zukommt. Doch dürfen wir uns nicht verbergen, daß diese Revolution, die auch ins Innere der Gebäude einzudringen beginnt, die guten Patrioten, welche streng an der alten Ordnung der Dinge halten, bereits in Unruhe setzt. Wo soll diese Sucht, zu säubern, zu reinigen, zu restauriren aufhören? Der päbstliche Palast, den Luther in seinem ungeschliffenen ketzerischen Eifer mit einem Augiasstalle zu vergleichen wagte, könnte nicht auch er eines Tags das Opfer ähnlicher Restaurationen werden? Und welche tiefe Seufzer würden der Brust der Anhänger des Hrn. de Maistre entsteigen, wenn es den kühnen Fremdlingen gestattet würde, ihr großes Werk der Purifikation, bei dem sie nun mit dem Physischen beginnen, fortzusetzen, ja vielleicht gar auf die höchsten moralischen Interessen auszudehnen!

Uebrigens bildet diese jetzige Reinlichkeit des spanischen Platzes einen sonderbaren Contrast mit der rings umher herrschenden Unordnung und dem alten Schmutz. Nur die römischen Kamine, die einst eine so närrische Figur machten, erfuhren unter der aufgeklärten Verwaltung des Kardinals Consalvi bedeutende Veränderungen. Im übrigen blieb alles beim Alten.[1] Paläste, Kramläden, große und kleine Häuser, – alles steht durcheinander. Hier laufen die Straßen breit auseinander, dort verengen sie sich plötzlich wieder; Buden und Thorwege bestreiten sich gegenseitig das Recht des Bodens; jedes Haus ist in einem andern Style gebaut, aber alle hat seit undenklicher Zeit die Unreinlichkeit mit ihren Lumpen und ihrem Schmutz bedeckt. Wenn man diese Klöster und Schmieden, diese Colonnaden und Weinschenken, diese Kirchen und Ställe, diese Paläste und Kramläden, die hier alle bunt durcheinander geworfen sind, um eine Stadt zu bilden, mit Einem Blick übersieht, so wird man gestehen, daß Rom, so wie es einzig dasteht im Zauber der Erinnerung, so auch vor allen andern Städten ausgezeichnet ist durch die Anarchie seines Aussehens und die bizarre Harlekinade seiner Gebäude.

Wenn man nach der Straße Fraltina zugeht, so gelangt man zum Palast der berühmten Propaganda. Hier tritt der Gedanke der Macht des neuen, des geistlichen Roms uns entgegen, die der Macht des alten, erobernden Roms folgte, und ohne Legionen und Armeen, ohne Kriegsschiffe und Geld, die Welt unterwarf, nicht seinem Senat von Königen, sondern seinem Glauben, dem Willen seiner Priester.

In Europa besitzt die Propaganda keinen großen Einfluß mehr, aber noch steht ihr Asien offen; dorthin richtet sich ihr Blick. Dort herrscht Druck von außen, und Leidenschaft in den Gemüthern, dort fühlt man das Bedürfniß


  1. Der englische Reisende hätte hier doch wohl auch einige Verbesserungen in der Gesundheits-Polizei und andere nützliche Anstalten anführen können, welche das neuere Rom dem Cardinal Consalvi verdankt.
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: Das Ausland. 1,2.1828. Cotta, München 1828, Seite 75. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Das_Ausland_(1828)_085.jpg&oldid=- (Version vom 28.4.2023)