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Reise des englischen Missionärs Leeves von Konstantinopel über Adreianopel nach Ternovo in Bulgarien (vorerst unberücksichtigt)


Uebersicht der neuesten italienischen Literatur.


(Schluß.)

Auch die zarten Dichtungen Anakreons und Sapphos haben in der neuesten Zeit einige Uebersetzer gefunden; unter denen sich Marchetti und Paolo Costa, Professor in Bologna, auszeichnen. Doch wir gehen von den kleinen Dichtern auf die größern griechischen Klassiker über. Italien hatte sich vor Felice Bellotti vielleicht nicht einer einzigen glücklichen Uebersetzung eines griechischen Trauerspiels zu rühmen. Bellotti begann mit Sophokles und führte, noch als Jüngling, sein muthvolles Unternehmen zu einem rühmlichen Ende. Dem Sophokles folgte Aeschylus; und man versichert uns, daß in kürzester Frist auch einige Trauerspiele des Euripides von ihm erscheinen werden. Wer nur in Etwas die vielfachen und bedeutenden Schwierigkeiten kennt, auf die man bei Sophokles und Aeschylus stößt, der muß sich über die Ungezwungenheit und Klarheit wundern, die in der ganzen Uebersetzung Bellottis herrscht. Sein Vers und sein Stil scheinen uns zwischen dem Alfieri’s und dem Parini’s beinah die Mitte zu halten, und entsprechen der edeln und ernsten Einfachheit des Sophokles vollkommen. Wo sich der Text in den Chören zu Pindarischer Höhe steigert, da erhebt sich auch der Uebersetzer, so daß er unsre volle Bewunderung gewinnt; wo aber der Inhalt in der Ursprache etwas dunkel wird, weiß ihm Bellotti Klarheit und Glanz zu geben, ohne von seinem Gesetze einer fast zu gewissenhaften Treue abzuweichen. Indessen erschien eine zweite Uebersetzung des Sophokles von Angelelli in Bologna, gleichfalls von hohem Werth, doch dürfte sie der Bellottischen die Siegespalme nicht streitig machen. In Hinsicht der Treue und der Gewandtheit des Ausdrucks stehen sich beide gleich, aber sie sind sehr verschieden im Stil und im Vers. Angelelli liebt Petrarkische Redensarten und hat einen durchaus ruhig gehaltenen Ton; Bellotti dagegen nähert sich Dante’s Stil und dem epischen Charakter. Aber eben deswegen glauben Einige, daß Angelelli Bellotti übertroffen habe, indem sie behaupten, die Eigenthümlichkeit der Griechen sey überall Einfalt, fern von allem Pomp und Alfierischem Ungestüm. Wir sind aber der Meinung, daß Aeschylus und Sophokles nicht einfach genannt werden können, außer etwa im Vergleich mit Pindar, und glauben, daß Angelelli weit unter der Höhe stehe, auf welcher sich Sophokles hält. Wahr ist, daß Sophokles in seinem Trauerspiel den heroischen Vers vermied und damit zeigte, daß er sich nicht soweit erheben wollte; allein demungeachtet ist sein Vers so edel, daß Bellotti’s Weise mit dem Wesen desselben sich wohl verträgt. Der Tadel wäre gerecht, wenn Bellotti den Euripides in demselben Ton übersetzte, wie den Aeschylus und Sophokles. Wir wissen übrigens, daß in Italien Niemand die Verlegenheit in Abrede stellt, in welche Bellotti durch Angelelli’s Unternehmung versetzt wurde, wollen aber diesen Streit nur deshalb nicht unerwähnt lassen; weil er uns Gelegenheit giebt, einen Umstand zu berühren, der bei einer Beurtheilung der italienischen Literatur nicht mit Stillschweigen übergangen werden darf. Die Stadt Bologna, der man vor Zeiten den Ehrentitel „die Gelehrte“ zugestanden, weicht in literarischen Ansichten großen Theils von der ganzen übrigen Nation ab; und ob sie gleich zur Zeit nur noch äußerst Wenig ihrer antiken Weisheit bewahrt, macht sie unter allen Städten Italiens auf die höchste Stelle Anspruch. Professor Paolo Costa, ein lobenswerther Kommentator Dante’s, ist, wenn wir nicht irren, der erste Gelehrte daselbst, aber das übrige Italien rühmt sich noch ganz anderer Männer. Jemehr sie deshalb sehen, daß jener Ruhm ihnen entgeht, auf den sie so eifersüchtig sind, destomehr suchen sie das Wenige, was ihnen noch davon bleibt, zu preisen und zu verherrlichen; daher denn auch die großen Lobsprüche, die in Bologna Angelelli’s Uebersetzung zu Theil wurden, ohne daß Bellotti’s Name nur genannt worden wäre. Wir wollen gerade nicht behaupten, daß Angelellis Verdienst zu unbedeutend sey, als daß das Land, dem er angehört, darauf stolz seyn dürfte; nur können wir nicht glauben, daß ihn Jemand mit gutem Gewissen über Bellotti stellen könne.

Wie die Griechen, so sind auch die lateinischen Dichter in unsern Tagen auf’s Neue in Italien übersetzt worden. Der schon mehrmals erwähnte Arici übersetzte alle Werke Virgils, sogar mit Einschluß derjenigen, die dem großen Dichter gewiß nicht angehören, sondern nur seinen Namen tragen. Seine Uebersetzung der Aeneide kommt

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