Seite:Das Ausland (1828) 1157.jpg

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Dieser Text wurde anhand der angegebenen Quelle einmal korrekturgelesen. Die Schreibweise sollte dem Originaltext folgen. Es ist noch ein weiterer Korrekturdurchgang nötig.

Bemerkungen über den Nationalcharakter, die religiösen und häuslichen Gebräuche und die Sitten der Griechen (derzeit unberücksichtigt)


Uebersicht der neuesten italienischen Literatur und Kunst.

In Briefen von einem italienischen Gelehrten.

Sechster Brief.

Wir haben in den bisherigen Briefen das ganze Feld der gegenwärtigen italienischen Literatur durchlaufen, und mit Uebergehung des minder Wichtigen den Lesern dieser Blätter möglich gemacht, über den Stand der literarischen Bildung Italiens in unsern Tagen einen genügenden Ueberblick zu bekommen. Italien ist, wie mehrere andere Staaten, in einer literarischen Wiedergeburt begriffen; und wenn es nicht durch zu große Verehrung der Alten, oder durch übertriebene Neuerungssucht auf Abwege geräth, darf man sich bald einen Grad der wissenschaftlichen Vervollkommnung versprechen, auf den es noch nie gestiegen war. Die beiden Schulen, die sich beim Beginn dieser Wiedergeburt getrennt hatten, nähern sich einander mit großen Schritten, und schon haben Einige erkannt und ausgesprochen, daß man auf beiden Seiten gute Belehrung und nachahmungswürdige Vorbilder finde. Einerseits verbreiten die Uebersetzungen der Griechen und Römer, welche in neuerer Zeit die antike Schule herausgegeben hat, reinen und ächten Geschmack, verbunden mit der Liebe und Kenntniß jener Musterbilder, denen sich Italien, ohne sich seiner Natur zu entäußern und seinen Nationalcharakter aufzugeben, nie ganz entfremden kann. Andrerseits zeigt die eigenthümliche Gestaltung der deutschen und der englischen Bildung und selbst die Art der Assimilirung unsrer eigenen bessern Dichter mit dem Alterthum, daß jedes Zeitalter sich seine eigene Literatur, die seinem religiösen Glauben, seinen Sitten, Neigungen und Gesetzen, überhaupt seinem ganzen physischen und moralischen Seyn zusagt, schaffen könne und solle. Italien darf sich nicht von der griechischen und römischen Kunst lossagen, aber die Lehren und Fingerzeige, die ihm von außen kommen, auch nicht von sich weisen. Die Anstrengungen, welche andere Völker gemacht haben, sich der Barbarei zu entziehen, muß Italien zur Zeit machen, sich der literarischen Superstition zu erwehren. Soll Italien zugeben, daß seine Dichter, in Mitte so vieler Reize der Schöpfung und unter dem Einfluß ihres heitern Himmels die trüben Gesänge des Nordens nachtönen, daß sie ihre Bilder in die düstern Farben einer unbegünstigten Natur kleiden, indeß sie Freude umlacht und ein ewiger Frühling umweht; daß sie sich in Lobpreisungen Griechenlands und Roms erschöpfen, indeß sie eine ruhmbekränzte Nationalgeschichte haben; daß sie in den feierlichsten Augenblicken des Lebens Venus, Amor und Jupiter anrufen, während seit Jahrhunderten diese Aftergottheiten dem Gott der Wahrheit gewichen sind, und die Finsterniß des Heidenthums durch das heilsame Licht des Evangeliums aufgehellt ist? Doch bedarf Italien unsres Rathes nicht mehr; er wird ihm täglich von seinen Gelehrten wiederholt und in allen literarischen Journalen gepredigt. Unter diesen nehmen die ersten Stellen ein die Biblioteca Italiana, welche in Mailand erscheint, und die Antologia von Florenz. Die Biblioteca Italiana, an welcher anfangs Monti, Giordani, Brocchi, Bossi und viele andere, in jedem Zweige der Literatur und Wissenschaft ausgezeichnete Gelehrten arbeiteten, hat stets ihren Vorrang unter den vielen Journalen Italiens behauptet. Einige betrachteten und betrachen sie noch jetzt als die abgesagte Feindin aller literarischen Neuerung, weil sie, als Ermes Visconti seine Ansichten über die romantische Poesie zu Tag förderte, die erste war, die sich wider ihn erhob. Durfte aber ein italienisches

Empfohlene Zitierweise:
: '. ,, Seite {{{pagenum}}}. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Das_Ausland_(1828)_1157.jpg&oldid=- (Version vom 14.10.2023)