Seite:Das Ausland (1828) 1158.jpg

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Blatt es einem Schriftsteller ungeahndet hingehen lassen, wenn er wagte, öffentlich auszusprechen, Tasso habe die Idee seines Gerusalemme schlecht ausgeführt, und wenn er dann Vorschläge machte, wie jener Stoff besser zu behandeln gewesen wäre? Die Biblioteca Italiana ist ein strenges Blatt, aber äußerst gerecht. Wir fanden z. B. mehrmals in einem Artikel die Beurtheilung einer klassischen und eienr romantischen Tragödie, und überzeugten uns, daß ihr Urtheil höchst unparteiisch war. Man lese die Recensionen über Manzoni und Grossi, die Artikel über Shakspeare, Göthe und Schiller, worin diesen Dichtern die schönste Anerkennung zu Theil wird, um die Ueberzeugung zu gewinnen, daß die Mitarbeiter des Blattes das Schöne, wo sie es finden, zu schätzen wissen und in den Wissenschaften keine nationellen Rivalitäten gelten lassen. Der Antologia di Firenze dagegen wird vorgeworfen, daß sie ganz auf der Seite der romantischen Schule stehe. Sie hat zu mehreren Malen prophezeit, daß in wenigen Jahren ganz Italien, ja alle Nationen dieser Schule huldigen würden; und dadurch wird die Anklage der Parteilichkeit, die man gegen sie erhebt, so ziemlich gerechtfertigt, wiewohl es nicht an Artikeln fehlt, welche für die klassische Schule gegen die romantische Partei nehmen. Am Fache der Moral und Politik dürfte übrigens die Antologia manchmal vor der Biblioteca im Vortheil seyn. Diese beiden Journale, an welchen die gründlichstgelehrten Kritiker und die geschmackvollsten Schriftsteller der Nation arbeiten, sind zwar die ersten, aber nicht die einzigen guten Blätter; das Giornale Arcadico di Roma, das Giornale di Napoli, das von Pisa und noch viele andere wissen den Ruhm ihres Landes zu behaupten, und arbeiten an der Wiedergeburt ihrer vaterländischen Literatur, die mit nach jener Höhe der Bildung strebt, auf welche Europa sich zu stellen berufen ist.

Wie die schöne Literatur, so werden gegenwärtig auch die ernsten Wissenschaften und die Künste in Italien mit vielem Eifer angebaut. Die Mathematik ist nach dem Verluste des Professors Brunacci nicht vernachlässigt worden. Selbst sein Nachfolger auf dem Katheder ist ein Mann von gleichem Talent und gleich gründlichem Wissen: Antonio Bordoni, welcher Werke liefert, die für sein Vaterland, ja selbst für das gesammte Europa von der höchsten Wichtigkeit sind. Auch Vincenzo Flauti, sein würdiger Schüler Fergola, der Professor Franchini von Lucca, der Marchese Rangoni, Carlo Brioschi, Gabrio Piola und der berühmte Carlini von Mailand erhalten sowohl die Wissenschaften überhaupt als namentlich die Astronomie in hoher Achtung. Im Gebiet der Physik ist außer vielen Uebersetzungen aus dem Französischen, auch durch Originalwerke Manches geleistet worden. Dasselbe gilt von der Chemie und von einigen andern Wissenschaften. Dieß auch von der Arzneikunde zu bemerken scheint uns fast überflüssig, da man in ganz Europa weiß, wie sehr diese heilsame Wissenschaft hier jederzeit im Flor stand und mit welchem Fleiße man sich ihr vorzugsweise widmet, seitdem ein Rafori, Borda, Tommasini, Bodei und einige Andere, die sogenannte Nuova dottrina medica italiana gepflegt haben. Auch die Landwirthschaft hat eifrige und sorgfältige Bearbeitung gefunden. Ohne die vielen zu Pavia, Verona und Padua über diese Wissenschaft erschienenen Schriften mit Namen zu erwähnen, bemerken wir bloß, daß bei Antonio Fortunato Stella in Mailand eine Biblioteca Agraria erscheint, welche über alle wichtigern theoretischen und practischen Schriften aus diesem Fache Nachricht giebt.

Die schönen Künste (die Baukunst, Bildhauerei, Malerei, Kupferstecherei) haben Italien verherrlicht. Zwar bedarf die Baukunst, die Wahrheit zu gestehen, großer Aufmunterungen, und umsonst würde man gegenwärtig in Italien großartige Römerwerke suchen; demungeachtet kann sich keine Nation in Europa über Italien erheben, und wenige Nationen haben so schöne architektonische Werke aufzuweisen, wie die Porta Ticinese, der Arco della Pace in Mailand, der Tempel von Passagno bei Bassano, von dem großen Canova gegründet, und andere mehr. Zur Erhaltung des unverdorbenen Geschmacks der guten antiken Baukunst erscheinen täglich Kupfersammlungen über die bessern auf der ganzen Halbinsel zerstreuten Denkmale, von einsichtsvollen Abhandlungen erfahrner Theoretiker begleitet. Die Brüder Mattinzzi von Udine lassen gegenwärtig eine wahrhaft prachtvolle Ausgabe Vitruvs nebst schönen Tafeln erscheinen.

Die Bildhauerei steht auf einer glänzenden Stufe der Kunst. Nach Canova erstanden Monti von Ravenna, Comolli, Gandolfi, Marchesi, alle Künstler von verdientem Rufe. In der Blüthe seines Alters hat letzterer schon eine solche Stufe der Vollendung erreicht, daß er in vollem Sinne des Worts ein Nachfolger Canova’s genannt werden kann, und die erste Stelle unter den Bildhauern nicht bloß Italiens, sondern des gesammten Europa’s (?) einnimmt. Unter den Schriften über diese Kunst verdient die treffliche Storia della scultura des Marchese Cicognara vor allen erwähnt zu werden. So hat auch die Malerei in Italien einen großen Reichthum an Kunstproducten und lehrreichen Schriften aufzuweisen. Wir brauchen nur einen Landi, Camuccini, Agricola, Serangeli, Viotti, Pelagi, Hayez, Demin zu nennen. – Gozzi, Bisi, Nava, Macchi und Migliara haben die Landschaftmalerei und die Perspective vervollkommnet. Sanguirico’s Theatergemälde in Mailand sind in ihrer Art mich solcher Meisterschaft ausgeführt, daß sie die allgemeine Bewunderung der Fremden erregen, welche diese reiche und prachtvolle Stadt besuchen. Italien verlor in den letzten Jahren Andrea Appiani, einen Maler, der in allen Zweigen seiner Kunst augezeichnet, in seinen Freskostücken aber unerreichbar ist. Was brauchen wir von der Kupferstecherei zu sagen, da Jedermann weiß, daß in die Schulen Morghen’s und Longhi’s die Jünglinge aller Nationen zusammenströmen, und da nicht bloß die Arbeiten dieser beiden, sondern auch die Gravaglia’s Anderloni’s, Tessi’s, Gandolfi’s um die höchsten Preise in ganz Europa

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