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Das Ausland. 1,2.1828

seine Hülfsquellen erschöpft; als Folge der übermäßigen Kriegsanstrengungen lastete eine Masse von materiellem und sittlichem Elende auf Großbritannien. Der Friede vermochte nicht alle die Leidenschaften zu beschwichtigen, welche der gewaltige Sturm entfesselt hatte. Die Zahl der Verbrecher, welche die öffentliche Sicherheit gefährdeten, vermehrte sich erstaunlich, und erweckte die Besorgnisse der Regierung. Die allezeit gefüllten Gefängnisse kosteten dem Staate große Summen. Noch schmerzte auch der Verlust jener unermeßlichen Länderein, die sich gleich erwachsenen Kindern vom elterlichen Hause getrennt hatten. Man sah sich nach Ersatz um, und so ward die Errichtung neuer Kolonien als einer künftigen Quelle des Nationalreichthums beschlossen; zugleich dachte man, indem hiezu die Hände von oft eben so kräftigen als lasterhaften Verbrechern benutzt wurden, die Heimath von ihrem Auswurf zu säubern. Die Regierung warf ihre Blicke auf Afrika, aber man suchte umsonst auf dessen Küsten eine Lage zu entdecken, welche einer Niederlassung günstig geschienen hätte. Sir Joseph Banks, der sechszehn Jahre früher Cook auf seiner Reise nach Australien begleitet hatte, bezeichnet der Regierung als geeignet für den obigen Zweick das nach seinen gemachten botanischen Erwerbungen genannte Botanybay auf der östlichen Küste des großen australischen Festlands. Der klimatische Charakter dieser Gegenden, der gemäßigter ist als Länder unter gleicher Breite in andern Welttheilen, die gesunde, auch dem Europäer zusagende Lage, der reich ergiebige Boden, der ungedüngt beim ersten Umbrechen 100 bis 200fältige Frucht trägt, eine unbegrenzte Ausdehnung des Landes, endlich die Entfernung von Europa und von jeder andern Kolonialniederlassung – alles vereinigte sich hier, was der zu errichtenden Kolonie förderlich seyn konnte. Das brittische Neusüdwallis, mit Einschluß der Insel Vandiemensland, erstreckt sich von Norden nach Süden über eine Fläche von mehr als 30 Breite-Graden, und wenn man als westliche Grenze, wie die Britten thun, eine Linie annimmt, die man von Anheimsland südwärts bis zu den Inseln St. Franz und St. Peter zieht, so kann man wohl sagen, daß die dortige Kolonie der Embryo zahlreicher künftiger Völker und Reiche sey. Am 20 Januar 1788 landete nach einer Reise von acht Monaten der Statthalter Arthur Phillip mit einer kleinen Flotte von Transportschiffen, die unter dem Schutz von zwei Kriegsschiffen segelten, in Botanybay, und da ihm dieser Ort für die Ansiedlung wegen Wassermangels nicht passend schien, so begab er sich nach dem fünf Stunden entfernten Port Jackson, wo er an einer der zahlreichen Buchten dieses für alle Flotten der Welt hinreichend geräumigen Hafens den Grund zu der Hauptstadt der Kolonie, Sydney, legte, ohne sich durch das feindselige warra! warra! (fort! fort!) einiger Eingebornen abschrecken zu lassen. Das ganze für die Bildung der künftigen Kolonie bestimmte Personal belief sich auf 1030 Köpfe, worunter sich 565 männliche und 192 weibliche Verbrecher befanden. Unterwegs hatte man 36 Personen durch Krankheit oder andere Zufälle verloren. Der Viehstand der Kolonie bestand aus 1 Zuchtstier, 4 Kühen, 1 Bullenkalb, 1 Hengst, 3 Stuten, 3 Füllen. In der Folge hat man vom Cap, von Brasilien und von Bengalen Pferde, Rinder, Schaafe und Geflügel, von den Freundschafts- und Gesellschaftsinseln Schweine eingeführt. Nach Beseitigung der ersten Schwierigkeiten wurden die Hausthiere bald einheimisch und vermehrten sich stark; die Güte der Raçe litt durch die Verpflanzung nicht.

(Fortsetzung folgt.)


Punische und phönizische Inschriften.


Die Denkmale der beiden Völker, welche die Civilisation nach Griechenland brachten, haben sehr verschiedene Schicksale gehabt. Egyptens Denkmale bedecken noch jetzt das Nilthal. In Ermanglung des Holzes bediente man sich der dauerhaftesten Baumaterialien, die es gibt, und Festigkeit wurde der Grundzug des Nationalcharakters, gegen welchen kein fremder Einfluß etwas vermochte; die Tempel aus der Zeit des Sesostris, der Ptolemäer, der Cäsaren, sind von demselben Stil. Anders verhält es sich mit den Phöniziern; von den Werken ihrer Baukunst ist nichts geblieben, als wenige schwer zu entziffernde Inschriften. Umgeben von Cedernwäldern, bedienten sie sich des Holzes mehr als des Steins; die Herrschaft der Seleuciden verdrängte den Nationalcharakter ihrer Künste durch den griechischen Stil, den man in Carthago schon vor dem letzten punischen Krieg eingeführt findet. Münzen und Inschriften sind die einzigen Reste der Phönizier und ihrer Kolonien, die einzigen Denkmale, woraus man einige Kenntniß der Sprache von Tyrus und Carthago schöpfen kann. Ohne Zweifel hatte das phönizische Idiom die größte Aehnlichkeit mit dem hebräischen[1], und das karthagische war nur eine Mundart des phönizischen. Die Hebräer, als Hirten und Ackerbauer, erhielten die Sprache Kanaan’s reiner als die Schifffahrt und Handel liebenden Phönizier, die bei ihrem großen Völkerverkehr in Spanien und Afrika manches Fremdartige in ihre Sprache aufnehmen mochten, ohne daß jedoch der kanaanitische, d. h. hebräische Grundstock der Sprache verloren ging. Mit Hülfe des Hebräischen also wird man die Erklärung jener Inschriften versuchen müssen, und wo dieß nicht zureicht, mit weiterer Hülfe des Syrischen und Samaritanischen.

Nach Herodot bestand eine große Aehnlichkeit zwischen phönizischer und altgriechischer Schrift; eine auffallende Aehnlichkeit

  1. Alle Spuren, welche die Zeit uns von der punischen Sprache bewahrt hat, beweisen ihre vollkommene Uebereinstimmung mit der hebräischen. Beim Propheten Jesaias (18. 19) wird die hebräische Sprache die Sprache von Kanaan benannt. Dieß Wort bezeichnete aber das Land, welches die Griechen Phönizien nannten. Sanct Augustin (ep. ad Rom. exp. T III col. 932. ed. Paris.) sagt, daß die Bewohner seiner Diöcese sich selbst Chanani nannten. Einen derselben, den er das Wort salus aussprechen hörte, fragte er, was der Sinn davon wäre. Er erhielt zur Antwort, es bedeute: drei. Jedermann aber wird sogleich das hebräische שׁלשׁ‎ darin wieder erkennen.
    Quatremère
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: Das Ausland. 1,2.1828. Cotta, München 1828, Seite 150. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Das_Ausland_(1828)_160.jpg&oldid=- (Version vom 4.8.2020)