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Das Ausland. 1,2.1828

Punische und phönizische Inschriften.


(Schluß.)

Unter der Inschrift der ersten Halbsäule sieht man die Figur eines Pferdes im Galopp; eben so auf der zweiten Vase mit zwei Henkeln; in derselben Lage auf der dritten eine Art Blumenkelch, woraus zwei Stengel hervorgehen, welche das, wie bei der vierten, aus einem Dreizack und Kreis zusammengesetzte Symbol halten. Ein Bruchstück von einer andern Halbsäule bietet mit einiger Variation dasselbe Symbol dar, so wie ein anderes Bruchstück die Reste einer punischen Inschrift. Ohne sich mit Entzifferung der Inschriften zu befassen, die Humbert für Grabschriften hält, beschränkt er sich in seiner angeführten Schrift auf Bemerkungen über die Bedeutung der Symbole: der Arm und die offene Hand, erinnert er, sind bei den Orientalen Symbole wohlthätiger Genien, ein Symbol, das nach dem Glauben der Mauren den Einfluß des bösen Auges abwendet. Sie bringen es deswegen an Häusern, an Schiffen, an Pferden an. Die maurischen Weiber halten denen, die ihre Kinder ansehen, die Hand vor die Augen, um die Wirkung des Blicks zu entkräften, und häufig trägt man die Figur einer Hand aus Metall als Amulette am Hals. Das Symbol des Kreises und Dreizacks hat Humbert auch auf einer zu Carthago gefundenen Münze entdeckt, wo aber ein Schlangenstab dabei ist. Hamaker[1], Professor der orientalischen Sprachen zu Leyden, hat eine Erklärung der Inschriften versucht, die indessen von Quatremère, in einem der Academie des Inscriptions et Belles-lettres mitgetheilten Mémoire, fast ganz umgestoßen wurde[2]. Uebereinstimmend sind Hamaker und Quatremère nur in der Uebersetzung des gleichlautenden Anfanges der drei ersten Inschriften, wonach dieselben einer Göttin Thalat (Tholat) gewidmet sind, die der griechischen Artemis entsprach, und von Quatremère für dieselbe Göttin gehalten wird, die Polybius (hist. I. X., cap. 10) Alete nennt. Die Verehrung der Astarte, wie die punische Sprache selbst, überlebte den Untergang Carthagos als selbstständigen Staats. Im römischen Carthago ward Astarte als eine Frau, die auf einem Löwen sitzt, dargestellt; nichts beweist aber, daß auch im punischen Carthago die Göttin dieselbe Gestalt hatte. Nach Polybius war Alete (Thalat, Astarte) ein Weib, das wegen Auffindung der Goldbergwerke in Spanien vergöttert worden war; sie hatte, gleich „Vulkan“ und „Saturn,“ in Carthagena, der Hauptstadt der carthagischen Kolonien in Spanien, einen prächtigen Tempel.

Eine andere Inschrift aus den Ruinen von Thugga in zwei Sprachen, wovon die eine punisch, die andere unbekannt, wahrscheinlich aber nicht iberisch, wie man vermuthet hat, sondern afrikanisch ist, wurde vom Grafen Borgia dem Major Humbert abschriftlich mitgetheilt. Die Schriftzeichen sind sehr verschieden von denen der vier Leichensteine, und mußten zum Theil erst restituirt werden. Die Auslegung Hamakers ist daher nichts weniger als gewiß. Merkwürdig wäre, sofern sich dieselbe bestätigte, darin die Erwähnung der Monate Nisan und Eliud (April und September), welche bewiese, daß die Carthager mit den hebräischen und aramäischen Namen der Monate wahrscheinlich auch die Zeitrechnung dieser Völker beibehalten; merkwürdig ferner die Notiz, daß von 6 zu 6 Monaten Todtenfeiern mit Gesang und Opfer stattgefunden hätten.

Im J. 1824 hat Münter eine neue, sonst unbedeutende, punische Inschrift, die er dem dänischen Consul in Tunis verdankte, bekannt gemacht, und im J. 1825 Gesenius[3] eine punisch-griechische aus Grenne (Cyrene), die höchst merkwürdig ist wegen ihrer Beziehung auf die gnostische Sekte der Karpokratianer. Der Stein wurde nach Malta gebracht, und von da aus gelangten Copien nach Paris und Berlin. Ueber einer groben Sculpturarbeit, welche einen geflügelten Wagen mit zwei Fackeln von zwei Schlangen gezogen, darstellt, sieht man eine aus fünf phönizischen Charakteren bestehende Linie; unter jenen Figuren eine Linie mit griechischen Charakteren, darauf drei Linien mit phönizischer, und tiefer unten noch neun Linien mit griechischer Schrift. Diese endet sich in eine Schlange, welche sich in den Schwanz beißt. Es scheint, der Häretiker habe sich der phönizischen Schrift blos bedient, um seinem Machwerk, das in das sechste Jahrhundert gehört, ein höheres Alterthum zu vindiziren.

Unterm 19. Jun. 1827 kündigte Hamaker im Journal Asiatique (Heft 61) eine Schrift unter dem Titel Miscellanea Phoenicia an. Er spricht in der Ankündigung von der Entdeckung neuer Denkmale, und erwähnt insbesondere eines für die Paläographie sehr wichtigen Fragmentes aus Egypten. Wenn es ihm, sagt er, bei seinen Untersuchungen über die Inscriptionen von Thugga, Carthago und Cyrene auch nicht gelungen sey, alle Dunkelheiten zu zerstreuen, so schmeichle er sich doch, überall einen wahrscheinlichen Sinn gefunden zu haben. Bei dieser Gelegenheit habe er sich mit der Erklärung von ziemlich vielen phönizischen, punischen und andern Münzen befaßt; er nennt die berühmte sidonische mit einer Umschrift von fünf Linien, wovon es zwar mehrere Auslegungen aber immer eine falscher als die andere gebe, und zwei Münzen von den Asmonäern, deren Charaktere der gelehrte Bayer nicht zu deuten gewußt. Hamaker verspricht sodann Aufschlüsse über phönizische, egyptische etc. Eigennamen und Glossen, die sich zum Theil in den Schriften der Alten fänden, aber entweder bis jetzt nicht bemerkt oder nicht verstanden worden seyen, so wie manche neue Belehrungen über die Paläographie, Grammatik, Lexikographie, Geographie und über die Religion der Phönizier; vielleicht, meint er, könnte auch die große Frage über die Entstehung der Schreibkunst und der Hieroglyphen durch seine Forschungen gewinnen. Auf fünf lithographirten Blättern sollen treue Copien der Monumente, ihrer Inschriften und der Umschriften auf den Münzen, nebst den verschiedenen Alphabeten, um sie zu lesen, gegeben werden.

  1. Henrici Arentii Hamaker diatribe philologico-critica aliquot monumentorum criticorum nuper in Africa repertorum interpretationem exhibens Lugd. Bat. 1822.
  2. Nouveau Journal Asiatique, publié par la Société Asiatique, Janv. 1828 pag. 11–27.
  3. De inscriptione phoenico-graeca in Cyrenaïca nuper detecta, scripsit G. Gesenius, Halae, 1825. 4.
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: Das Ausland. 1,2.1828. Cotta, München 1828, Seite 156. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Das_Ausland_(1828)_166.jpg&oldid=- (Version vom 4.8.2020)