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Das Ausland. 1,2.1828

Durch eine solche, mit einem ungeheuern Kostenaufwande verbundene, Vorkehrung, würde nun erst die Möglichkeit herbei geführt, mit Dampf-Postkutschen, ohne Eisenbahnen, in einem Lande überall herum zu fahren, und zwar mit einem ungefähr fünfzehnmal größeren Aufwande von Brenn-Material, als auf guten Eisenbahnen mit einem ähnlichen, viel einfachern, leichtern und sicherern Mechanismus nöthig wäre;[1] und es stünden alsdann, da von der absoluten Möglichkeit zur Thunlichkeit oder zur praktischen Anwendbarkeit eines Planes noch ein großer Schritt ist, der zweckmäßigen Ausführung dieses Projektes nur noch folgende Schwierigkeiten, Unbequemlichkeiten und Gefahren entgegen.

1) die immerwährenden Erschütterungen und heftigen Stöße, die ein so schwerer, mit der größten Geschwindigkeit bewegter Wagen unvermeidlich auszuhalten hat, können nicht anders als sehr nachtheilig auf die damit verbundene Maschine wirken; und wenn auch die Dampfkessel, oder die Dampf erzeugenden Röhren gegen diese Nachtheile einigermaßen dadurch gesichert sind, daß sie, im Zusammenhange mit dem Kutschenkasten, auf Federn ruhen, so bleiben doch die wesentlichsten und delikatesten Theile der Maschine: die Cylinder, Kolben, Ventile, Kolbenstangen und Steuerungen, welche in unveränderlicher und fester Verbindung mit den Achsen der Räder, folglich mit dem Wagengestelle seyn müssen, einem beständigen bald mehr, bald minder heftigen Schütteln, Stoßen und Prellen ausgesetzt, durch welches nicht nur die schnellste Abnützung aller dieser Theile herbei geführt, sondern auch häufige Unordnungen und Störungen im Gange, Beschädigungen und Brüche verursacht werden müssen. Man hat diese Nachtheile schon bei den viel einfachern und mit mäßiger Geschwindigkeit fortschreitenden Dampfwagen auf vielen englischen Eisenbahnen erfahren, auf welchen doch, wenn sie gut gebaut sind, die Bewegung möglichst sanft ist, und es hat sich da schon oft der unangenehme Fall ereignet, daß ein Dampfwagen mitten auf seinem Wege unbrauchbar und so mit allen angehängten beladenen Wagen unbeweglich geworden. Um wie viel mehr würde dieses bei so schweren und complicirten Maschinen zu befürchten seyn, welche, wie man die Absicht hat, mit der Geschwindigkeit gallopirender Pferde auf gewöhnlichen Landstraßen gejagt werden sollen! – [2]

2) Die Gefahr vor dem Bersten der Dampfkessel ist zwar durch die von Herrn Gurney, so wie von mehreren seiner Vorgänger, angenommene, (aber nicht von ihm, sondern von amerikanischen Ingenieuren, erfundene und zuerst angewandte) Vorrichtung mit dampferzeugenden Röhren größtentheils beseitigt, und das Springen einer einzelnen Röhre kann freilich keinen bedeutenden Schaden verursachen. Wenn indessen – was doch zu den möglichen Zufällen gehört – mehrere dieser Röhren zugleich börsten, dann dürfte die Wirkung einer solchen Explosion, besonders für die unmittelbar darüber sitzenden Personen, nicht weniger schrecklich werden als jene eines gewöhnlichen Kessels. Auf alle Fälle müßte denjenigen Passagieren, welchen ihre Sitze auf dem (eisernen) Hinterkasten angewiesen sind, worin der Ofen und Dampf-Erzeugungs-Apparat enthalten ist, die Hitze von unten, und auch von der Seite aus den ganz in ihrer Nähe befindlichen blechernen Rauchfängen höchst beschwerlich, ja unerträglich werden. Auf den gewöhnlichen englischen Postkutschen nennt man diesen, für die Outside-Passengers bestimmten (ungeheizten) Hinterkasten: The Kitchen, die Küche. Ich habe den Ursprung dieser sonderbaren Benennung nicht erfahren können, finde sie jedoch bei der Dampfkutsche des Mr. Gurney im strengsten Sinne passend und richtig: denn ein solcher eiserner, mit Kohlen und Dampf geheizter Kasten ist wirklich eine treffliche Sparküche, ganz dazu geeignet, um die darauf gesetzten Gentleman und Ladies von Station zu Station zu rösten oder zu braten, und sie recht schnell (à l’anglaise) in Beef-steakes oder Mutton-chops zu verwandeln!

(Schluß folgt.)
  1. Die zum Fortschaffen einer bestimmten Last auf einer guten englischen Eisenbahn nöthige Kraft beträgt nur ungefähr den zehnten Theil derjenigen, welche erfordert wird, um diese Last auf der besten Chaussee in ihrem vollkommensten Zustande fortzubringen. Wird diese bewegende Kraft durch eine auf dem Fuhrwerke befestigte Maschine hervorgebracht, so nimmt das Gewicht derselben nebst dem Gewicht des Wagens schon für sich selbst einen Theil dieser Kraft in Anspruch, von welcher dann nur der Ueberschuß auf die eigentliche nutzbare Wirkung, d. h. auf den Transport der reinen Ladung verwendet werden kann. Da nun eine Dampfmaschine von zehnfacher Kraft mit ihrem ganzen Apparate wenigstens fünfmal schwerer ausfallen, und ein Wagen, der auf einer ordinären Landstraße die heftigsten Stöße auszuhalten hat, um vieles stärker gebaut, folglich schwerer werden muß, als für eine Eisenbahn, auf welcher die Bewegung ungleich sanfter ist, so wird leicht zu begreifen seyn, daß zum Betriebe eines solchen Dampfwagens mit einer gegebenen Ladung auf einer gewöhnlichen Straße wenigstens fünfzehnmal so viel Brenn-Material aufgewendet werden müsse, als zum Betriebe eines ähnlichen, gleich stark beladenen Wagens auf einer Eisenbahn. In allen Gegenden, wo dieses Material nicht sehr wohlfeil ist, dürfte daher das Fuhrwerk mit Dampf viel kostbarer als das gewöhnliche Fuhrwerk mit Pferden zu betreiben seyn.
  2. Bei allen gut geordneten Feuerlöschungsanstalten ist das sehr schnelle Zuführen der großen Spritzen, bei einem entstehenden Brande, verboten, weil man aus Erfahrung weiß, daß durch so heftige Erschütterungen an diesen Maschinen (welche doch um vieles einfacher als die Dampfmaschinen sind) leicht Brüche und Beschädigungen entstehen, wodurch dieselben im Augenblicke der Noth zum Dienste unbrauchbar werden.
Empfohlene Zitierweise:
: Das Ausland. 1,2.1828. Cotta, München 1828, Seite 172. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Das_Ausland_(1828)_182.jpg&oldid=- (Version vom 23.2.2020)