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Das Ausland. 1,2.1828

bediente, nur Mittel, bei Byron war es Zweck. Jene Eitelkeit, die allen adlichen Seelen angeboren ist und die am Ende nur in dem innigen Verlangen besteht, die unentwickelte innere Schönheit zur äußeren Erscheinung zu bringen und ebenbürtigen Geistern zur Pflege, zur Anerkennung und Vereinigung anzubieten, geht bei ebenmäßig fortschreitender Bildung zuletzt in der vollsten Klarheit des Selbstbewußtseyns auf – wie dieß ohne Zweifel bei Napoleon der Fall war – während sie da, wo äußere Verhältnisse die Bildung des Verstandes, des Gefühls oder des Willens zurückdrängen, bald in krampfhafte Verzerrungen ausbricht, welche oft die edelsten Keime zerstören. Wenn Byron das Glück gehabt hätte, in einem Kreise geboren zu seyn, in welchem alle seine Fähigkeitn sich frei entwickeln konnten – also zuvörderst nicht in England – so wäre er ein großer Mann geworden; in der Lage, in welche er fast in allen Perioden seines Lebens sich versetzt fand, konnte er nur ein großer Dichter werden.

Das Werk von Leigh-Hunt, einem durch seine Poesien und durch seine ultraliberale Zeitungspolitik[1] bekannten Freunde Byrons: „Ueber Byron und einige seiner Zeitgenossen,“ hat das doppelte Verdienst – wenn gleich ohne alles Wissen des Verfassers – auf der einen Seite zu zeigen, wie der größte Geist dem unablässig wiederholten Andrang der Gemeinheit allmälig Raum geben, und mit dem unedlen Stoff, der ihn umweht, sich wenigstens äußerlich in vieler Hinsicht assimiliren muß; auf der andern Seite uns ein schlagendes Beispiel von dem Eindruck zu geben, welchen Seelenadel auf Geister einer niedern Ordnung zu machen pflegt, wenn diese sich auch noch so sehr durch Verstand oder Gelehrsamheit vor der gewöhnlichen Masse auszeichnen.

Zuvörderst versichert Hr. Hunt seine Leser, daß er nichts als die Wahrheit angeben wolle. Wir haben, ungeachtet des eben gesagten, zu viel Achtung vor seinem Charakter, als daß wir dieser Versicherung nicht in so weit glauben sollten, daß wir alle von ihm berichteten Facta wirklich für wahr annehmen; aber man darf nur einige Seiten des Buches gelesen haben, um zu sehen, daß Mr. Hunt mit dem Poeten sehr übel zufrieden war und unwillkührlich durch dieß persönliche Mißfallen in seinen Urtheilen bestimmt wurde.

Byron war, nach Mr. Hunt, der Leidenschaft der Liebe unfähig, wenigstens in der Art, die er allein Liebe nennt, und die in der That eine sehr besondere seyn muß. Was er selbst aber unter dieser Leidenschaft versteht, wird uns nicht berichtet. Nachdem er von der körperlichen Gewandheit Byrons und dem verwegenen Gebrauch, den der Dichter von derselben machte, gesprochen hat, zieht er daraus – wie es scheint – den Schluß, daß es ihm an Muth fehlte. „Byron war ein guter Reiter, fährt er fort, saß schön zu Pferde und hielt einen festen Sitz. Er hörte gern davon reden, und – um die Wahrheit zu sagen – es war ein Vergnügen, ihm davon zu reden. Guter Gott! welche Huldigungen würde dieser Mann nicht gefunden, welche Liebe und welches Vergnügen erweckt haben, wenn er sich mit der Wahrheit hätte begnügen können, und wenn er selbst Wahrheit genug besessen hätte, um etwas besser von seinen Nebenmenschen zu denken! Aber stets suchte er die unzugänglichsten Quellen der Zufriedenheit. Den ersten Tag, als wir mit einander ausritten, scherzte er über das schlechte Reiten dieses und jenes seiner Bekannten. Sichtlich hoffte er, das Vergnügen zu haben, mich der Liste beifügen zu können; und als er fand, daß bei dem Schauspiele meiner Reiterei eben nichts besonderes zu bemerken sey, sagte er in einem Tone, der seine verfehlte Erwartung ausdrückte: „Wie, Hunt, Sie reiten ja ganz gut!“ Wir führen diese kleine Anekdote an, weil sie uns charakteristisch für die Beurtheilung – nicht nur Byrons durch Mr. Leigh Hunt, sondern jedes ausgezeichneten Menschen durch die gewöhnliche Menge zu seyn scheint. Ein große Naturerscheinung macht immer den Eindruck des Erhabenen, weil in der physischen Welt ein Maaßstab der Vergleichung vorhanden ist. In der Geisterwelt dagegen, in dem Gebiete des Unendlichen, ist kein Unterschied zwischen groß und klein; jeder Mensch glaubt als geistiges Wesen gleiche Ansprüche auf Geistesgröße zu haben, und wenn er dennoch gezwungen wird, die Ueberlegenheit eines andern anzuerkennen, so betrachtet er dieß als ein ihm wiederfahrenes Unrecht, als persönliche Beleidigung. Menschen, die wirklich groß sind, werden daher in der Regel gehaßt und verfolgt, die nur groß scheinen wollen, verhöhnt oder ausgelacht; der größte Triumph aber, und leider! nicht bloß des Pöbels, ist es, wahre Größe ableugnen und mit einigem Schein als eitle Anmaßung an den Pranger stellen zu können.

Es war uns ein schmerzliches Gefühl zu sehen, daß ein Mann, den Byron seinen Freund nannte, dem großen Dichter, dem edlen Menschen, dem sein ganzes Leben hindurch vom Unglück verfolgten und dennoch standhaften Kämpfer nach seinem Tode diesen letzten Dienst erweisen mußte; möge es uns verziehen werden, wenn wir durch eine Betrachtung, die vielleicht nur für Wenige Interesse hat, uns auf einen Augenblick von den allgemein interessanten Thatsachen abziehen ließen, von denen Hunt’s Memoiren eine so reiche Fülle darbieten.

(Fortsetzung folgt.)


Politische Parteien in den Vereinigten Staaten.


(Schluß.)

Wenn auch der Krieg nicht immer glücklich war, so war doch nichts rühmlicher, als der Friede, der ihm folgte. Er drückte dem Triumph der Demokraten das Siegel auf; die kühnsten Hoffnungen dieser Partei waren übertroffen worden, und sie wußten ihren Sieg vollkommen zu benutzen. Die Föderalisten, die am Kriege Theil genommen hatten, entsagten diesem gehässigen Namen, der forthin nur noch an den Gliedern der Konvention von Hartford und an ihren Anhängern, als ein beschimpfendes Beiwort, haftete. Alle Zeitungen, alle Reden verkündeten die Ausgleichung der Parteien; alle Bitterkeit verschwand, und selbst der Namen geschah höchstens noch bei den Streitigkeiten über die Wahlen Erwähnung.

  1. Als Herausgeber des radicalen Wochenblattes: The Examiner.
Empfohlene Zitierweise:
: Das Ausland. 1,2.1828. Cotta, München 1828, Seite 191. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Das_Ausland_(1828)_201.jpg&oldid=- (Version vom 23.2.2020)