Seite:Das Ausland (1828) 226.jpg

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Das Ausland. 1,2.1828

Sieger ohne Edelmuth greifen sie die Orientalen an, obgleich sie sie glauben machen wollen, daß sie nichts von ihnen zu fürchten hätten, und unterhandeln dann mit ihnen ohne ihre Verachtung durchblicken zu lassen. Was sie mit den Waffen in der Hand nicht erlangen können, erschleichen sie mit weniger Kosten auf dem Wege der Diplomatie, und machen so die Eingebornen zu Opfern des Friedens wie des Kriegs; sie verlocken sie zu gefährlichen Allianzen, legen, um ihr Monopolsystem durchzusetzen, dem Handel und der Industrie Fesseln an, nehmen ihre Seehäfen in Besitz, theilen ihre Provinzen, und behandeln die Völker als Rebellen, die sich unter ihr Joch nicht willig beugen.

Zwar ist ihr Benehmen gegen diejenigen Staaten, welche noch einige Selbstständigkeit sich bewahrt haben, etwas geschmeidiger, und sie beobachten z. B. in Canton und Nagasaki eine Mäßigung, die in Palembang oder Colombo überflüssig und übertrieben seyn würde; aber in einer Verkehrtheit der Ideen, die vielleicht noch auffallender ist, als jener Mißbrauch der Macht, nehmen unsere Schriftsteller alsdann Partei für unsere in ihrer Hoffnung getäuschten Abenteurer: sie machen diesen verständigen Asiaten dann die Vorsichtsmaßregeln zum Vorwurf, die eine so natürliche Folge des Betragens unsrer Mitbürger sind, und gerathen in Unwillen über die Ungastlichkeit ihres Charakters, als ob man uns Unrecht thäte, wenn man sich vor einer so gefährlichen Nachbarschaft ein wenig in Acht nimmt. Weist man das uneigennützige Umsichgreifen unserer Kaufleute zurück, so begeht man eine unverzeihliche Sünde gegen den heiligen Geist, man verachtet eine unschätzbare Wohlthat und weist alle die herrlichen Vortheile der Civilisation von sich. Diese Civilisation nämlich besteht, was die Asiaten betrifft, darin, daß sie im Schweiße ihres Angesichts die Erde bauen, um es den Europäern nie an Baumwolle, Zucker und Spezereien fehlen zu lassen; daß sie regelmäßig ihre Steuern und Abgaben bezahlen, damit die Dividenden derer, die sich die Mühe nehmen sie zu beherrschen, nie einen Ausfall erleiden; daß sie endlich ohne Murren ihre Gesetze, Gewohnheiten und Costüme ändern, mögen auch Tradition und Klima einer solchen Aenderung noch so sehr widersprechen. Die Nogaïs haben seit einigen Jahren sehr bedeutende Fortschritte gemacht, denn sie haben endlich der nomadischen Lebensweise ihrer Väter entsagt, so daß die Steuereinnehmer des Fiscus nun doch wissen, wo sie zu finden sind, wenn die Zeit des Tributs herannaht. Auch die alten Unterthanen der Königin Obeira haben sich seit Kapitain Cooks Zeit äußerst gut civilisirt, denn sie warfen sich den Methodisten in die Arme und wohnen nun jeden Sonntag in schwarzer Kleidung der Predigt bei, was für die Manufakturen von Somerset und Glocester eine neue Quelle des Absatzes ist. Mit nicht geringerem Vergnügen haben unsere Reisenden in der letzten Zeit einen Fürsten der Sandwich-Inseln in rothem Rock und Weste seinen Hof halten sehen, wobei sie nur bedauerten, daß die äußerst große Hitze ihn verhinderte, sein europäisches Costüm zu vervollständigen. Mögen auch derlei Nachahmungen noch unvollkommen und inkonsequent seyn, hie und da selbst etwas ungeschickt und wunderlich aussehen – man muß sie doch wegen der Folgen, die sie haben können, auf alle Art ermuntern.

Vielleicht wird, noch ehe wir’s vermuthen, die Zeit kommen, wo die Hindus, statt selbst ihre Mousseline zu weben, sich mit unsern Perkals begnügen werden; wo die Chinesen die Seidenzeuge von uns beziehen; wo die Eskimo’s Calicot-Hemden tragen und die Bewohner der Tropenländer die größte Freude an unsern Filzhüten und unsern wollenen Kleidern haben werden. Möchte doch endlich einmal die Industrie aller dieser Völker der unsrigen Platz machen! Möchten sie doch ihren nationalen Ideen, ihrer Literatur, ihrer Sprache, kurz ihrer ganzen einfältigen Eigenthümlichkeit entsagen! Möchten sie doch lernen zu denken, zu fühlen, zu sprechen wie wir! Möchten sie doch für all’ diese nützlichen Lectionen uns nichts geben als ihr Land und ihre Unabhängigkeit! Möchten sie sich gefällig gegen die Wünsche unsrer Akademiker, zuvorkommend gegen die Interessen unsrer Kaufleute, sanft, umgänglich und zuthulich zeigen! Dann wird man gewiß so billig seyn, ihnen zuzugestehen, daß sie allerdings einige Fortschritte in der Civilisation und Staatskunst gemacht haben, ja man wird ihnen gestatten, einen Rang unter den Völkern einzunehmen, nur freilich in gehöriger Entfernung vom privilegirten Volke, der besonders bevorzugten Race, der allein der Geist und die Herrschaft gegeben ist.




Die transatlantischen Staaten und Colonien am Schlusse des Jahres 1827.


(Fortsetzung.)
8.

In Folge der Einführung der oben erwähnten Bolivia-Constitution, die überall in Amerika den Verdacht gegen Bolivar erregte, als hege er monarchische Absichten, brach gleich nach seiner Abreise aus Peru, schon in den letzten Tagen des Januars 1827, unter den in der Hauptstadt Lima zurückgebliebenen columbischen Truppen ein Aufstand aus; man schiffte sie nach Columbia ein, und, dadurch aufgemuntert, bewirkten die Peruaner eine Regierungsveränderung. Der am 4. Juni versammelte souveräne Congreß erklärte die Bolivia-Constitution, welche am 9. Juli 1826 in Lima beschworen worden war, für abgeschafft; der von Bolivar eingesetze Präsident des Regierungsconseils, Santa Cruz, resignirte, und am 10. Juli war der in Guayaquil mit Organisirung des Aufstandes von Quito beschäftigte General Lamar zum Präsidenten der Republik erwählt und die Constitution vom Jahre 1823 provisorisch hergestellt. Peru ist, wie Colombia, eine Centralrepublik; doch werden die acht Departementos: Truxillo, Lima, Arequipa, Tarma, Guancavelica, Guamanga (Ayacucho), Cuzco und Puno von bürgerlichen Behörden milde regiert, und Militärdespotie herrschte nur so lange, als der Befreiungskrieg ihn nothwendig machte. Der Freistaat umfaßt 27,320 Q.M. und 1,688,506 Einwohner. Die Finanzen sind auch hier zerrüttet; man scheint indeß zur Aufrechthaltung des Staatscredits im Innern die kräftigsten Maßregeln zu nehmen; in Rücksicht der wucherischen Londoner Anleihen ist aber Insolvenz erklärt. (M. s. die Bothschaft des Präsidenten Santa Cruz vom 4. Juni 1827.) Der Charakter der Einwohner ist äußerst gutmüthig; der Handelsverkehr auch für deutsche Schiffe mit Vortheile verbunden. Unter andern ist aus Arica ein Schiff mit einer kostbaren China-Ladung in Hamburg angelangt.

Empfohlene Zitierweise:
: Das Ausland. 1,2.1828. Cotta, München 1828, Seite 216. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Das_Ausland_(1828)_226.jpg&oldid=- (Version vom 4.8.2020)