Seite:Das Ausland (1828) 249.jpg

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Das Ausland. 1,2.1828

Das Ausland.
Ein Tagblatt
für Kunde des geistigen und sittlichen Lebens der Völker,
mit besonderer Rücksicht auf verwandte Erscheinungen in Deutschland.

Num. 60. 29. Februar 1828.

Schwedische Literatur


(Schluß.)

Der dritte Theil von Stagnelius Werken ist der, welcher die glänzendsten Triumphe seines Genies enthält. Aus einer so reichen Sammlung schöner Poesien, alle gleich ausgezeichnet in ihrer Art, ist es schwer ein einzelnes auszuwählen, das vor den übrigen zur allgemeinen Kenntniß zu kommen verdiente. Seinen Kyrkogarden (Kirchhof), seine Flyttfoglarne (Zugvögel) kann niemand lesen, ohne dem Verfasser derselben einen Platz unter den ersten Dichtern aller Nationen einzuräumen. Die Sammlung religiöser Gedichte, unter dem Titel: „Die Lilien von Scharon“ würde ihm allein den Preis der Unsterblichkeit sichern. Selbst diejenigen seiner Gedichte, denen jene feinere Politur mangelt, welche nach Horaz nur durch das nonum prematur in annum verliehen werden kann, zeugen doch alle von dem tiefsten poetischen Gefühl. Um unsern Lesern eine Vorstellung von dem eigenthümlichen Geiste dieser Poesien zu geben, theilen wir hier eine worttreue Uebersetzung von ein Paar der kleineren lyrischen Gedichte mit:


FLYTTFOGLARNE Die Zugvögel

     Se foglarnes skara!
     Till främmande land
     De suckande fara
     Fran Gauthiods strand.
     Med vädren de blanda
     Sytt klagande ljud.
     „Hvar skola vi landa?
     Hvart för oss ditt bud?“
Sa ropar den fjädrade skaran till Gud.

     Sieh der Vögel Schaar!
     In fremdes Land
     Seufzend ziehn sie
     Von Gauthiods Strand.
     Mit dem Winde mischen sie
     Ihren klagenden Schall.
     „Wo sollen wir landen? ‘
     Wohin führt uns Dein Gebot?"
So ruft die gefiederte Schaar zu Gott

     Vi lemna med oro
     De Skandiska skär.
     Vi trifdes, vi voro
     Sa lycklige där.
     I blommande lindar
     Der nästet vi byggt,
     Balsamiska vindar
     Oss vaggade tryggt.
Nu sträckes mot okända rymder var flygt.

     Wir verlassen mit Unruh
     Das Scandische Gestad;
     Wir freuten uns, wir waren
     So glücklich dort.
     In blühenden Linden
     Bauten wir das Nest;
     Balsamische Winde
     Wiegten uns sicher;
Nun geht in unbekannte Räume unser Flug.

     Med rosiga hatten
     Pa lockar af guld,
     Satt midsommarsnatten
     I skogen, sa huld.
     Ej kunda vi somna -
     Sa däglig hon var -
     Af vällust blott domna,
     Tills morgonen klar
Oss väckte pa nytt fran sin brinnende char.

     Mit rosigen Kranze
     Auf Locken von Gold
     Saß Mittsommernacht
     Im Walde so hold.
     Nicht konnten wir schlafen -
     So lieblich war sie -
     Von Wollust nur träumen,
     Bis der Morgen klar
uns weckte aufs neue von seinem leuchtenden Wagen.

     Ljuft träden da sänkte
     Kring tufvor sitt hvalf,
     Dem perlor bestänkte
     Der törnrosen skalf.
     Nu skoflat är eken,
     Och rosen har flytt.
     Af findarne leken
     I storm sig forbytt.
Af frostblommor hvita är majfältet prydt.

     Schön senkte der Baum da
     Um den Hügel sein Gewölb,
     Bethaute mit Perlen
     Der Dornrose Knospe.
     Nun ist entlaubt die Eiche
     Und die Rose ist entflohn:
     Das Säuseln der Winde
     Hat in Sturm sich verwandelt,
Mit Frostblumen weiß ist das Maifeld geschmückt.

     Hvad göra vi längrel
     I Norden? dess pol
     Blir dagligen trängre,
     Mer dunkel dess sol?

     Was weilen wir länger
     Im Norden, deß Pol
     Täglich wird enger,
     Und dunkler dessen Sonne?


Empfohlene Zitierweise:
: Das Ausland. 1,2.1828. Cotta, München 1828, Seite 237. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Das_Ausland_(1828)_249.jpg&oldid=- (Version vom 16.2.2023)