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Das Ausland. 1,2.1828

Das Ausland.
Ein Tagblatt
für Kunde des geistigen und sittlichen Lebens der Völker,
mit besonderer Rücksicht auf verwandte Erscheinungen in Deutschland.

Num. 64. 4. März 1828.

Ismaïl Gibraltar in Europa.


(Fortsetzung.)

Die Quarantäne geht zu Ende; Ismaïl, ermüdet von der gezwungenen Ruhe, steigt mit den Worten ans Land: „Alles geht vorüber! Das Sprichwort hat Recht: selbst Stambul[1] wird sein Ende finden.“

Als wenn man dem Reisenden seine vierzigtätige Langeweile hätte vergessen machen wollen, wurden nun prachtvolle Feste vorbereitet. Die Kanonen wurden gelöst, die Flaggen entfaltet, und eine feierliche Deputation ging Ismaïl entgegen, um ihn zu empfangen. Die alte Vormauer des christlichen Glaubens schmückte sich nun dem muselmännischen Gesandten ihre Huldigungen darzubringen. Mit halb verachtendem Ernste blickte er auf diesen neuen Pomp, aber sein natürlicher Sinn für Anstand und Grazie machte ihn schnell bei aller Welt beliebt, und Sir Alexander Ball, Baronet, Gouverneur von Malta, gab ihm in den Gärten von Sant-Antonio ein Fest, Jesanguira’s und Al-Raschid’s würdig. Fast die ganze Stadt war eingeladen, Engländer, Malteser, europäische und orientalische Kaufleute, ein wahres Paradies von Toleranz, wo das Vergnügen alle Glauben vereinigte.

Ich möchte mich des orientalischen Bilderreichthums noch entsinnen können, dessen sich Ismaïl bediente, um dieses herrliche Giema[2] zu beschreiben, von dem noch in der Hauptstadt Englands seine ganze Imagination erfüllt war. „Wir begaben uns – erzählte der ägyptische Gesandte – zu dem Feste der Gärten, dem wahren Aufenthalt des Vergnügens. Nicht ohne Mühe gelangten wir dahin: mühsam ist der Weg der Erwählten. Man brachte uns in eine Calessa, einen harten Wagen, in dem ich herumgeworfen wurde gleich einer Barke im Sturm. Ein Chatib[3] des Gouverneus, der mit mir im Wagen saß, belehrte mich woher er komme, daß mich die Carosse so sehr ermüdete. In Malta, wo der Boden aus spitzen Felsen besteht, bedient man sich Wagen ohne Federn. Ich fand diese Art zu reisen höchst unbequem, und bildete, so gut es gehen wollte, aus meinen Händen eine Art Sitz, um die unsanften Stöße ein wenig zu mildern. Indessen erzählte mir der Chatib, der viel sprach und überhaupt ein ganz besonderer Mensch war, um mich zu unterhalten tausend Geschichten aus dem Lande des Niedergangs. Dann sagte er mir schöne Verse aus der Sprache des Almagreb[4] vor, von denen ich nur leider kein Wort verstand, und die mir fast das Ohr zerrissen. Endlich zeigte er mir eine hübsche Pfauenfeder, mit der er gewöhnt sey, seine Werke zu schreiben. Später bin ich ihm wieder in London begegnet, wo er indessen reich geworden war, und sich, was man so nennt, einen Namen verschafft hatte. Ich gestehe, daß ich nicht eigentlich weiß, wie er das angefangen hat. Endlich gelangten wir zu dem Giema. Ach das Paradies des Propheten, die Engel des Himmels und der Erde, der Wein von Schiraz und die Rosen von Ormuzd verschwinden vor dem, was ich in diesen glücklichen Gärten traf! Alla Akbar! Allah Akbar![5] Welche blauen Augen! welche schwarzen Sterne! Die Huris des Nordens und die des Südens wandelten unter den blühenden Orangen und Citronen; hier die sanften schmachtenden Blicke der Schönen von der grünen Insel, dort die leuchtenden Strahlen unter den langen Wimpern der Töchter Malta’s. Und dabei der Sabha[6] von allen Ländern, allen Arten: ich füllte meinen Becher bis zum Rande. Unsere Gelehrten behaupten, daß der heilige Prophet ihn verboten habe; aber dieß ist falsch. Ich weiß meinen Koran auswendig. In welcher Stelle hat er den funkelnden Trank verboten? Nichts ist verboten als der Mißbrauch.“[7]...

Folgen wir ihm nun auf seiner ferneren Fahrt. Er verläßt Malta. Vergebens würde ich versuchen, alle die Schwierigkeiten aufzuzählen, die er auf seinem Wege fand, und alle die Verlegenheiten, in die ihn Panajottis Unwissenheit brachte. Statt, wie sie sich vorgenommen hatten, die Meerenge von Gibraltar zu erreichen, finden sie sich auf einmal in Tunis, segeln wieder von dort ab, aber nur

  1. Constantinopel.
  2. Gartenfest.
  3. Chatib, Sekretär. Die Person, von der Ismaïl hier spricht, ist der bekannte Dichter Coleridge, damals Sekretär des Sir Alexander Ball.
  4. Der Occident.
  5. Gott sey gelobt.
  6. Wein.
  7. Bei dieser Gelegenheit muß ich eine lustige Geschichte erzählen, welche einmal in London den Gästen des guten Ismaïl viel Spaß machte. Er vertheidigte bei Tische und vollem Glase die hier ausgesprochene Meinung über das Verbot des Weines. Dreimal bereits hatte er den hohen Becher geleert, und dreimal die Lehre zurückgewiesen, welche den „funkelnden Trank“ verbietet. Am Ende aber begann sein Haupt zu wanken und seine Zunge schwer zu werden. „Der Prophet – stammelte er noch, als er den Kopf auf die Rücklehne des Stuhls sinken ließ – „hat nichts ver…bo…ten a…ls den Miß…brauch“ und schlief dann ein.
Empfohlene Zitierweise:
: Das Ausland. 1,2.1828. Cotta, München 1828, Seite 253. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Das_Ausland_(1828)_265.jpg&oldid=- (Version vom 29.12.2019)