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Das Ausland. 1,2.1828

unbewohnten Insel Pine-island überführen, wo sie ohne Obdach und Feuer einen vollen Tag dem Platzregen, eine Nacht der erstarrenden Kälte ausgesetzt waren. Von dieser Insel, wo das ganze englische Heer vereinigt war, mußte man die ungefähr 34 Stunden entfernte amerikanische Küste gewinnen, und in der Catalina-Bay landen. Da man aber nur ungefähr ein Drittel der erforderlichen Transportschiffe hatte, war man genöthigt, die Ueberfahrt in drei Abtheilungen zu machen, wodurch man in Gefahr kam, einzeln angegriffen zu werden. Trotz dieser Hindernisse bewerkstelligte die erste Division von 1600 Mann glücklich ihre Landung, nachdem sie die amerikanischen Wachposten im Schlaf überfallen hatte. Man wollte anfänglich die zwei andern Abtheilungen erwarten, aber der General ließ sich von Ueberläufern, die ihn der günstigen Stimmung der Einwohner gegen die Engländer versicherten, täuschen, rückte bis auf die Straße vor, die gerade nach New-Orleans führt, und lagerte gegen Mittag seine Truppen an den Ufern des Stroms. Die Soldaten, die keinen Feind bemerkten, fingen an Feuer anzuzünden, und sich gütlich zu thun; sie streiften in der Gegend umher, und brachten Lebensmittel aller Art zurück, welche dann unter alle vertheilt wurden. Es war drei Uhr Nachmittags und alles ruhig. Nach Beendigung ihres Mahls legten sich die Soldaten entweder nieder zum Schlafe, oder badeten sich im Fluß. Mit Ausnahme eines kleinen Lärmens, der aber keine Folgen hatte, schien nichts die allgemeine Sicherheit zu stören, und die Truppen hofften endlich, eine Nacht Ruhe zu genießen. Aber diese trügerische Stille dauerte nicht lange; die Amerikaner beobachteten die brittische Armee in ihren kleinsten Bewegungen, sie kannten ihre Stärke und ihre Stellung aufs genaueste, und rüsteten sich, sie lebhaft anzugreifen, so lange sie noch vertheilt war.

(Fortsetzung folgt.)


Die französischen Journale.


(Schluß.)


Der Constitutionnel, der Courrier, das Journal du Commerce.

In den liberalen Journalen ist das Terrain der Meinungen mehr durchschnitten. – Was den Constitutionnel betrifft, so ist seine Rouerie transparent geworden. Er ist die Quotidienne der linken Seite, nur unter einem viel weiteren Horizonte. Von Herrn Etienne, der seinen pikanten Witz hineinwirft, hat er, was an ihm Munteres ist. Herr Thiers bringt seinen Vorrath ernster Studien dazu: hier schon die systematisirte Revolution und der Uebergangspunkt auf den Courrier. Die andern liberalen Blätter sind nicht gut auf den Constitutionnel zu sprechen: sie betrachten ihn als einen Finanzmann, der sich nicht gerne compromittirt. Rückt die Macht mit einer bestimmten Willensäußerung hervor: gleich senkt sich der Ton dieses Blatts. Der Courrier dagegen und das Journal du Commerce sind unbeugsam. Das macht, der Constitutionnel hat viele Abonnenten zu befriedigen: deßwegen sucht er sich gegen gerichtliche Anfechtungen sicher zu stellen. Wenn der Constitutionnel zu schlummern schien, mochte man sich so einen guten alten Kauz von einem Tartüffe denken, der sich in seinen Sorgensessel drückt, in seinen Winterpelz hüllt, kaum ein Auge öffnet, und die bessere Jahrszeit abwartet, bis er aufsteht. Gleich schrieen die an Abonnenten ärmeren und an Muth reichern Journale: „Er hat sich verkauft, das ist ein falscher Bruder; er spielt liberalen Villelismus.“ Indessen zieht die Gefahr vorüber, der Constitutionnel erhebt sich mit einem Male, ein doppelt Geharnischter, und läßt die Fahne der Unabhängigkeit wehen, bis sich der Himmel von Neuem in Wolken hüllt. Aber wie will man auch dem reichen Manne zumuthen, daß er sein Vermögen dem ersten Winde Preis gebe?

In dem Courrier ist nichts oder doch nur sehr wenig von jener Rouerie sichtbar. Er ist die systematisirte Revolution mit einem Anstrich von Doctrinalismus; man könnte ihn das Journal des Debats der linken Seite nennen. Herr Mignet, ein Mann von bedeutendem Talente, widmet ihm zuweilen seine Feder; Herr Rabbe läßt in ihm seine mit Kraft gepaarte Leichtigkeit, Herr Keratry seine alt-bretagne’sche Freimüthigkeit glänzen. Indessen ist Herr Keratry in diesem Journal eine Dissonanz. Wie der Constitutionnel auf dem Papier ein Gallikaner, in der Wirklichkeit aber ein Voltairianer ist, so ist der Courrier, wenn sich Herr Keratry darin hören läßt, ein Gallikaner in der Weise des überspanntesten Jansenismus – die Lanjuinais, die Gregoire könnten es nicht besser seyn; – schweigt aber dieser Schriftsteller, so fördert der Courrier ganz und gar verschiedene Meinungen an den Tag, und hält sich so zu sagen schadlos; so daß sich auch der Blindeste überzeugen kann, wie sehr ihm religiöse Fragen eigentlich rein gleichgültig sind. Was übrigens diese beiden liberalen Blätter einstimmig mit einander wollen, das ist die Losreißung der Nationalkirche von Rom. Man gebe ihnen diesen Punkt zu: die Nationalkirche wird dann bald abgespeist seyn.

Das Journal du Commerce betritt nicht ganz dieselbe Bahn. Es ist in ihm, trotz seines Industrialismus, etwas Edelsinniges; wie der Globe kennt es die Verfolgung nicht, und statt zu hassen, empfiehlt es bloß Verachtung. Seine Redaction wurde zu Zeiten mit ausgezeichnetem Talente geführt. Aber, weniger leidenschaftlich als der Courrier, weniger den Intriguen zugänglich als der Constitutionnel, ist es monotoner als beide. Der Mann der Industrie in Frankreich findet kein besonderes Vergnügen an den Systemen des Industrialismus; dieser ist für ihn weniger ein Gegenstand der Theorie als des innern Stolzes.

Empfohlene Zitierweise:
: Das Ausland. 1,2.1828. Cotta, München 1828, Seite 280. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Das_Ausland_(1828)_292.jpg&oldid=- (Version vom 4.8.2020)