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Das Ausland. 1,2.1828

Das Ausland.
Ein Tagblatt
für Kunde des geistigen und sittlichen Lebens der Völker,
mit besonderer Rücksicht auf verwandte Erscheinungen in Deutschland.

Num. 71. 11. März 1828.

Die Engländer vor New-Orleans, am Ende des Jahrs 1814 bis zu Anfang des Jahrs 1815.


(Fortsetzung.)

Der Tag, erzählt der Britte, verlief in aller Stille, und als die Nacht eingebrochen war, glänzten unsere Feuer hell und munter; wir nahmen unsere Abendmahlzeit und schickten uns zur Ruhe an. Gegen 7½ Uhr bemerkten mehrere von uns ein großes Schiff, welches geheimnißvoll den Fluß herauf kam, und auf der Höhe unsers Lagers anhielt. Hier warf es Anker und zog seine Segel ein. Wir dachten zuerst, es sey einer unserer Kreuzer, der vielleicht unbemerkt in den Fluß eingedrungen wäre; da aber auf unsre wiederholten Aufforderungen keine Antwort erfolgte, so verbreitete sich der Lärm durchs Lager und Niemand dachte mehr an’s Schlafen. Man that mehrere Schüsse gegen das Fahrzeug, um ihm Antwort abzunöthigen. Als es endlich alle Segel eingezogen und seine Stellung genommen hatte, hörten wir eine starke Stimme im Befehltone rufen: „Gebt ihnen dieß zur Ehre Amerikas!“ Im nehmlichen Augenblick blitzte das Feuer aus den Kanonen, und mörderisch regneten die Kartätschen über das Lager. Die Engländer, die kein Geschütz mehr hatten, um diesem furchtbaren Feuer zu antworten, wußten nichts besseres zu thun, als sich hinter die Fluß-Dämme zurückzuziehen. Hier standen sie unbeweglich in ängstlicher, schweigender Aufmerksamkeit, lauschend auf die über ihre Häupter hinzischenden Kugeln und auf die Seufzer der Verwundeten, die ringsum lagen. Sie genoßen nicht lange dieses elenden Schutzes. Die Nacht war vollkommen dunkel, die Feuer, durch die Wirkung des feindlichen Geschützes verstreut, warfen eine düstere Helle, die aber keinen Gegenstand über drei Schritte entfernt erkennen ließ, außer im Augenblick, wo das Geschütz abgefeuert wurde. Seit einer Stunde befanden sich die Engländer in dieser Stellung, als in der Nähe des Lagers Flintenschüsse vernehmbar wurden. Man war einige Augenblicke zweifelhaft über die Veranlassung dieses neuen Vorfalls, aber die Ungewißheit währte nicht lange. Als das Feuer einen Augentlick inne gehalten, folgte ein plötzliches tausendstimmiges Geschrei und zugleich ward der ganze Horizont von einem Flintenfeuer erleuchtet, das eine lange halbkreisförmige Linie bildete. Augenscheinlich waren die Engländer, von einer überlegenen Truppenmacht umwickelt, in der Alternative sich zu ergeben oder den Feind zurück zu werfen. Es erfolgte ein furchtbarer ergrimmter Kampf: den Freund konnte man in der Dunkelheit vom Feinde nicht unterscheiden: es gab keine Ordnung, keine Zucht mehr. Jeder Offizier, so wie er zwanzig oder dreißig Mann zusammenbrachte, warf sich köpflings in das Handgemenge, wo man sich Brust gegen Brust mit dem Säbel und Bajonete in aller Gluth und Wildheit homerischer Helden schlug. Endlich wurden nach einem langen Gefecht und nach einem hartnäckigen Widerstande die Amerikaner zurück geschlagen, aber die Sieger verloren 500 Mann, worunter einige der besten Offiziere und eine große Anzahl der tapfersten Soldaten sich befanden. Mit Tagesanbruch mußten die Engländer von Neuem vor dem Feuer des Schooners hinter den Dämmen Schutz suchen. Der Anblick des Schlachtfeldes, das sich jetzt den Augen darstellte, war erschütternd; Freunde und Feinde lagen untereinander, in Gruppen von 4–6 Leichen. Fast alle waren unter dem Säbel oder Bajonet gefallen, viele unter Flintenkolben. Nicht nur schauderhafte Wunden entstellten sie, sondern selbst der Ausdruck ihrer Gesichtszüge hatte etwas Wildes; an mehr als einer Stelle sah man Engländer und Amerikaner, die sich gegenseitig mit dem Bajonete durchbohrt hatten. Jetzt war es klar, daß man, von den Spionen und Ueberläufern getäuscht, statt auf eine leichte Eroberung, sich auf einen hartnäckigen Widerstand zu versehen hatte. Die Ankunft Sir Edward Pakenham’s, der den Oberbefehlt übernehmen sollte, und des Generals Gibbs belebte den Muth der Soldaten und sie empfiengen ihre Anführer mit wiederholtem Zuruf. Es war der Weihnachttag: die Offiziere vereinigten ihre Vorräthe, und es wurde beschlossen, munter zusammen zu speisen. Es war ein rührender Anblick, wenn man die abgehärteten Soldaten sah, die gleichsam scherzend mit dem Leben und seinen Glückswechseln, sich dem heitersten Frohsinn unter den Kanonen der Feinde hingaben. Sir Edward Pakenham war es indessen gelungen mittelst einer Batterie glühender Kugeln den Schooner, dessen Feuer den Engländern so unheilbringend gewesen war, zu zerstören und den Angriff eines andern Schiffes, das jenem Hülfe gebracht hatte, abzuschlagen.

Am 27. Dec. rückte er gegen die feindliche Armee vor. Die Truppen waren die ganze Nacht durch das Feuer der amerikanischen Schützen beunruhigt worden, nichts destoweniger

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: Das Ausland. 1,2.1828. Cotta, München 1828, Seite 281. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Das_Ausland_(1828)_293.jpg&oldid=- (Version vom 29.12.2019)