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Das Ausland. 1,2.1828

traten sie muthig und vom besten Geist beseelt den Marsch an. Nachdem sie 1½ bis 2 Stunden zurückgelegt, stießen sie auf den Feind, welcher eine vortheilhafte Stellung hinter einem ungefähr 100 Fuß breiten und durch eilig aufgeworfene Verschanzungen vertheidigten Kanal einnahm. Eine furchtbare Batterie bestrich die Straße, und ein großes Fahrzeug, unterstützt durch eine Flotille von Kanonierschaluppen, bedrohte die Stellung der Britten von allen Seiten. Auf der rechten Seite entdeckte man den Feind zuerst; auf der linken waren seine Streitkräfte durch Häuser, die an der Straße standen, maskirt. Die Truppen, welche hier vorrückten, wurden den Feind erst ansichtig, als sie vor den Mündungen seiner Kanonen standen. In einem Augenblick eröffneten die Landbatterie und die Artillerie der Flotte ein mörderisches Feuer; die Kugeln fielen in die gedrängten Reihen, und richteten gräuliche Verwüstungen an. Dieser plötzliche Angriff brachte einige Verwirrung in die englischen Linien. Indessen wurde die Artillerie aufgeführt und in Thätigkeit gesetzt, bald aber durch die Ueberlegenheit des feindlichen Feuers zu Grunde gerichtet. Da die Infanterie durch den Kanal aufgehalten wurde, dessen Tiefe man nicht kannte, so war man genöthigt, den Angriff aufzugeben und sich zum Rückzug zu verstehen.

Die Zeit vom 28 bis 30. Dec. verstrich unter Berathschlagungen, was zu thun sey, und diese Zeit benützte der Feind, um sein Werk zu vollenden. Endlich wurde der Entschluß gefaßt, die amerikanischen Verschanzungen als reguläre Befestigungen anzugreifen, und in Folge dessen errichtete man in der Nacht in einer Entfernung von 300 englischen Ellen von den Werken des Feinds Batterien von schwerem Kaliber, welche man mit Tagesanbruch spielen zu lassen begann. Im ersten Augenblick verursachte dieß Feuer einen panischen Schrecken im amerikanischen Lager; als aber die Ordnung wiederhergestellt, und eine große Anzahl Kanonen von der Flotille ausgeschifft waren, eröffnete die feindliche Artillerie ihr Feuer mit solchem Erfolg, daß die englischen Batterien durch die numerische Ueberlegenheit des Feindes in Kurzem zum Schweigen gebracht waren. Die Engländer sahen sich noch einmal zum Rückzug genöthigt.

(Schluß folgt.)


Washington Irving’s Columbus.


(Schluß.)

„Es war am Morgen des 12. Oktober 1492, daß Columbus zuerst die neue Welt erblickte. Als der Tag graute, sah er eine ebene, schöne Insel vor sich, mehrere Meilen breit, vom freundlichsten Grün, und gleich einem fortlaufenden Obstgarten rings mit Bäumen bedeckt. Obgleich alles die wilde Ueppigkeit einer ungezähmten Natur verkündigte, so war die Insel doch augenscheinlich bevölkert, denn man sah, wie die Einwohner aus den Wäldern herbeiliefen, von allen Seiten her ans Ufer eilten, und die Schiffe anstarrten. Sie waren alle völlig nackt, und, nach ihren Stellungen und Geberden zu schließen, vor Erstaunen außer sich. Columbus gab ein Zeichen, daß die Schiffe Anker werfen und die Boote bemannt und bewaffnet werden sollten. Er selbst bestieg sein eigenes Boot, reich in Scharlach gekleidet und die königliche Fahne tragend, während Martin Alonzo Pinzon und Vincent Janes, sein Bruder, gemeinschaftlich mit ihren Booten abstießen, jeder mit der Fahne der Unternehmung, mit einem grünen Kreuze geschmückt, das auf beiden Seiten die Buchstaben F und I, die Anfangsbuchstaben der castilianischen Monarchen, Fernando und Isabella, mit darüber schwebenden Kronen trug.

Als sie sich den Küsten näherten, waren sie entzückt beim Anblick der tiefen Wälder, welche unter jenem Himmelsstrich in so herrlichem Wuchse stehen. Sie sahen Früchte von reizender Farbe, aber unbekannter Art, welche rings an den die Ufer bedeckenden Bäumen hingen. Die Reinheit und Lieblichkeit der Atmosphäre, die krystallhelle Durchsichtigkeit der See, welche diese Inseln bespült, verleiht ihnen eine wundervolle Schönheit, und mußte auf Columbus empfängliches Herz einen außerordentlichen Eindruck machen. So wie er ans Land sprang, warf er sich auf die Kniee, küßte die Erde und dankte Gott mit Freudenthränen in dem Auge. Seinem Beispiele folgten die Uebrigen, deren Herzen gleich dem seinigen von Dank überflossen. Dann sprang er auf, zog sein Schwert, entfaltete die königliche Standarte, ließ die beiden Capitaine nebst Rodrigo de Escobido, dem Kriegscommissär, Rodrigo Sanchez, und den Uebrigen, die gelandet hatten, einen Kreis um sich schließen, nahm im Namen des castilianischen Souveräns feierlichen Besitz von der Insel und gab ihr den Namen San-Salvador. Nachdem er so die nöthigen Formen und Ceremonien geendigt hatte, rief er alle Anwesenden auf, ihm als dem die Person des Königs repräsentirenden Admiral und Vicekönig, den Eid des Gehorsams zu schwören.

Nun brach die Mannschaft in den ausschweifendsten Jubel aus. Statt daß sie sich kurz vorher noch als verlorne Leute betrachtet hatten, die ihrem gewissen Untergange entgegen eilten, hielten sie sich nun für die höchsten Günstlinge des Glücks und überließen sich der ausgelassensten Freude. Sie drängten sich um den Admiral, umarmten ihn, oder küßten ihm die Hände. Die, welche während der Reise die Widerspenstigsten und zum Aufruhr Geneigtesten gewesen waren, waren nun die Unterwürfigsten und Begeistertsten. Einige baten um seine Gunst, als um die eines Mannes, der von nun an stets über Geld und Ehrenstellen zu verfügen haben würde. Manche Nichtswürdige, die ihn bisher aufs unverschämteste beleidigt hatten, krochen jetzt vor ihm, baten ihn um Verzeihung für all das Leid, das sie ihm verursacht hätten, und schwuren für die Zukunft den blindesten Gehorsam.

Als die Eingebornen der Insel beim Grauen des Tages die Schiffe erblickt hatten mit ihren ausgespannten

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: Das Ausland. 1,2.1828. Cotta, München 1828, Seite 282. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Das_Ausland_(1828)_294.jpg&oldid=- (Version vom 29.12.2019)