Seite:Das Ausland (1828) 312.jpg

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Das Ausland. 1,2.1828

wir nach einigen Stunden in das Kloster St. Chrysostomus, das auf zwei Seiten von Felsen eingeschlossen, über einem jähen Abgrund hängt, gegen Morgen eine große Ebene beherrschend, in deren Mitte die Stadt Nicosia liegt. Nur zwölf Mönche leben in diesem einst berühmten, nun verarmten Kloster. Es ward vor mehreren Jahrhunderten von einer der reichsten Damen gegründet. Unter dem Portikus der Kirche beleuchtet eine ewige Lampe ihr Grab, in welchem ihre beiden geliebten Dienstfrauen an ihrer Seite ruhen.

Auf der Spitze des Bergabhangs stehen noch die kolossalen Ruinen eines alten festen Schlosses der Tempelherren. Noch steht eine lange Reihe von Zellen, zwischen ungeheuern Mauern. Herrlich ist der Umblick von dieser Höhe, auf die weite Ebene, auf die duftumhüllten Berge, die sie umkränzen, auf das Meer, das an die schwärzlichen Felsen schlägt, und auf Asiens blühende Küsten.

In Nicosia nahm uns der Erzbischof der Insel, ein geborner Cyprier, ein ehrwürdiger Greis, mit der rührendsten Gastlichkeit auf. Lange Zeit lieh sein Ansehen, sein festes unerschütterliches Betragen, vielen Verfolgten Schutz und Hülfe; endlich unterlag aber auch er muselmännischem Uebermuth und empfing die Palme des Märtyrerthums.

Die Lage Nicosias in der Mitte einer weiten Ebene macht hier die Hitze unleidlich drückend. Die Häuser sind fast alle im venetianischen Style gebaut, so daß man in den Straßen nirgends den willkommenen Schatten findet, den in den meisten übrigen Städten der Levante die zeltähnlichen Vorsprünge und Dächer der arabischen Bauart gewähren.

Eines Tages besuchten wir, mit Erlaubniß des Gouverneurs, die Moschee der Stadt, einst eine christliche Kirche, von den Venetianern im gothischen Style gebaut und der heiligen Sophia geweiht. Als die Türken sich Nicosias bemächtigten, zerstörten sie die meisten Spuren des katholischen Cultus, doch war es unmöglich, dem gothischen Gotteshaus das Ansehen einer Moschee zu geben. Der Betstuhl des Imans steht an der Stelle des Hauptaltars, und die Mauern sind bedeckt mit goldnen Inschriften aus dem Coran. Als wir eintraten, erklärte der Iman gerade einige Stellen des heiligen Buches, wovon jeder der Zuhörer ein Exemplar in der Hand hielt. Aber stärker noch als die Worte des Muselmanns verkündigte das majestätische Gebäude selbst die Hinfälligkeit der menschlichen Dinge. Hier wurden die alten Könige von Cypern gekrönt, hier stiegen sie in ihre Gruft; hier ruht die sterbliche Hülle so mancher Kämpfer für den Glauben, so manches stolzen venetianischen Senators, und nun rufen die Muselmänner ihren Propheten an auf den Gräbern derer, die einst im Kampfe gegen sein Volk ihr Blut vergossen.

Die Frauen von Cypern scheinen bei weitem nicht mehr jene Schönheit zu besitzen, die sie einst im Alterthume so berühmt machte. Ihre Formen tragen noch den alten griechischen Character, aber in Armuth, Unwissenheit und Sklaverei ist jene bezaubernde Anmuth und Harmonie untergegangen. Dagegen hat das griechische und circassische Blut das Geschlecht der Ottomanen zum schönsten der Erde gemacht.

Von Nicosia wanderten wir nach Dale, dem alten Idalia. Die alten Gebäude liegen in Trümmern; Strohhütten stehen an ihrer Stelle, aber die Reize der Gegend konnte weder der Krieg noch die Zeit vernichten. Noch ist es von freundlichen Gehölzen und würzigem Strauchwerk umschattet, in deren Mitte ein kleines Flüßchen rauscht, an dessen Ufern die Hütten des Dorfes stehen. Eine Stunde von diesem liegen große Schutt- und Trümmerhaufen – Reste des alten Idalias; aber keine Säule steht mehr aufrecht, keine Inschrift verkündet seine versunkene Pracht. Auch ein hoher Hügel zur Rechten ist noch mit Ruinen umkränzt. In der Nähe des Hügels lebt in einer erbärmlichen Strohhütte eine Familie von Aussätzigen – diese Krankheit war in der Familie erblich, daher die ganze Umgegend sie floh. Längst hätten sie vor Hunger sterben müssen, wenn nicht von Zeit zu Zeit einzelne mitleidige Hände ihnen in einiger Entfernung von ihrer einsamen Hütte Lebensmittel hinlegten. –

Den andern Morgen sagten wir dem Tempel der Venus Lebewohl und kehrten nach Larnica zurück.




Die Niederlage der Wechabiten.

(Fortsetzung.)

Bei der Zurückkunft in unsern Lagerplatz fanden wir das sonderbarste Schauspiel. Die Zelte waren kaum in großer Eile aufgeschlagen worden, als die Kameele und Treiber mit dem Gepäcke nachkamen. Sie unterbrachen die Stille und Einsamkeit der Wüste durch wahrhaft babylonisches Sprachgewirr. Indostanisch, Persisch, Arabisch und mehrere europäische Sprachen schallten durcheinander und zerfloßen in ein unverständliches Getöse.

Wir wurden in diesem Lager länger zu bleiben genöthiget, als wir früher erwartet hatten, indessen lebten wir auf dem Lande doch ebenso wie am Bord unserer Schiffe und hatten nicht Ursache uns über eine Unterbrechung unserer guten Laune und des Frohsinns zu beklagen, welcher den Soldaten in der Garnison charakterisirt. Unsere einzigen Leiden waren der heiße Wind und erstickende Wolken feinen Sandes, die uns nöthigten, den ganzen Tag so bequem als möglich ausgestreckt auf der Erde zu liegen. Uebrigens herrschte im Lager die vollkommenste Sicherheit, und nur die Wachen trugen geladene Gewehr, was indessen zu einer Katastrophe Veranlassung gab, die man leicht hätte voraussehen können.

In einer sternhellen Nacht waren zum Schutz einer astronomischen Partie Posten ausgestellt worden. Der Mond war noch unter dem Horizonte, als eine Heerde schneller Dromedare ihre Reiter in schweigender Eile über die sandige Ebene trug, um ihm bei seinem Aufgang ein blutiges Schauspiel zu geben. Die Posten wurden plötzlich angegriffen. Die Araber waren in einer gewissen Entfernung abgestiegen, und schlichen sich unbemerkt bis an die wenigen Wachen heran. Widerstand war vergeblich. Viele wurden niedergehauen, die Uebrigen flohen dem Lager zu, mit denen zugleich die Feinde eindrangen. Sie tödeten und verwundeten vierzig von unsern Leuten, und

Empfohlene Zitierweise:
: Das Ausland. 1,2.1828. Cotta, München 1828, Seite 298. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Das_Ausland_(1828)_312.jpg&oldid=- (Version vom 23.2.2020)