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Das Ausland. 1,2.1828

eines land-district. Ich habe Ihnen schon gesagt, daß alle Ländereien den Vereinigten Staaten gehören. Diesen kommt es zu sie zu verkaufen. Doch gilt diese Regel nicht in allen Staaten, die seit der Bildung der Union aufgenommen wurden. In Kentucky kamen land-warrants (Patente) vom Staate Virginien vor, dem das Land ursprünglich gehörte. In Louisiana und in Florida haben theils Veräußerungen, die von den alten Regierungen ausgegangen waren, und die dadurch von den alten Einwohnern erworbenen Rechte, theils wirkliche oder scheinbare Kaufverträge mit den Indianern die Ansprüche auf den Land-Besitz dermaßen verwirrt, daß es manchmal unmöglich war, ihn rechtlich zu ordnen. Man nahm hier gewöhnlich zu einer administrativen Kommission seine Zuflucht, die ohne über die Conflicte zwischen den Ansprüchen Einzelner zu entscheiden, sich darauf beschränkte, die veräußerten Länder von denen, die im Eigenthum der Vereinigten Staaten geblieben waren, zu trennen. Nur von diesen letztern kann hier die Rede seyn.

In Washington existirt eine Behörde für Staats-Ländereien, die mit den verschiedenen Distrikten, in die das Land getheilt ist, in fortwährender Verbindung steht. Soll ein neuer District errichtet werden, so werden dessen Grenzen festgesetzt, und gewöhnlich ein Mittelpunkt für den Bau einer Stadt angewiesen, die wahrscheinlich die künftige Hauptstadt des Staates wird. Ein General-Landmesser (surveyor general) wird ernannt; dieser begibt sich mit seiner Familie und mit seinen Gehülfen an den Punkt, von dem man dabei auszugehen hat; von da aus wird zuerst mit Hülfe des Kompasses die Basis und der Meridian gezogen, indem man nach Norden, Südosten und Westen, in gerader Linie durch Wälder, Sümpfe und über Flüsse fortschreitet; die Linie wird auf den Bäumen bezeichnet, so daß sie leicht zu verfolgen ist. Alle sechs Meilen wird ein Pfosten eingesetzt; von diesem Pfosten aus werden andere Linien parallel mit der Basis und dem Meridian gezogen, und so das Land in lauter Quadrate von acht Meilen getheilt. Jedes dieser Quadrate wird eine Stadt (township) genannt, und erhält eine Numer nach seinem Platz; jede Stadt wird dann wieder mit Hilfe neuer Linien, die ebenfalls, aber auf verschiedene Weise, auf den Bäumen bezeichnet werden, in Quadrate von einer Meile getheilt; diese neuen Abtheilungen, sections genannt, enthalten 640 acres, und werden durch imaginäre Linien in Achttheile, jedes zu 80 Acres getheilt. Die Sektionen und Achttheile werden in jeder Stadt numerirt, und die Numern auf Pfählen in der Ecke angezeigt, so daß man, wenn man in der Mitte des Waldes eine Linie antrifft, und sie bis zur Ecke verfolgt, sich immer orientiren kann. Zu bemerken ist hiebei, daß die Section Num. 16 von jeder Stadt zur Bestreitung der Kosten des öffentlichen Unterrichts bestimmt ist, und nicht verkauft werden darf.

Während dieser geometrischen Operationen wird zugleich die Verfassung organisirt. Der Gouverneur, gewöhnlich ein bedeutender Mann, der sich selbst in dem Gebiet niederzulassen gedenkt, ist mit seiner Familie und seinen Negern angekommen. Dann treffen die Richter ein, bald auch die Advokaten mit dem ganzen übrigen Zubehör der Rechts-Pflege. Jeder von ihnen bringt eine Familie und Freunde mit sich. Die gesetzgebende Behörde versammelt sich in der Mitte eines Waldes; eine Hütte von Baumstämmen, etwas größer, aber nicht zierlicher als jede andere, wird errichtet, und die ländliche Versammlung hält ihre Sitzungen darin mit so vieler Würde, oft auch mit so vielem Talent, daß man sich in ein Capitol versetzt glauben könnte. Man wird fragen, was für Gegenstände der Gesetzgebung eine so neue Gesellschaft, von der noch nichts als die Quadrate existiren, haben könne? Daran fehlt es indeß durchaus nicht; Die Versammlung setzt einen Platz für die Hauptstadt, und, wo möglich, auch für andere Städte fest; sie theilt das Gebiet in counties ein; sie organisirt die Friedens-Gerichte, wie die höheren Gerichtshöfe; sie macht Civil- und Criminal-Gesetze, (denn sie ist schon souverain, obgleich unter der Aufsicht des Kongresses stehend); sie richtet endlich ihren Einsichten und Bedürfnissen gemäß über alle möglichen Gegenstände Petitionen an den Kongreß.

Diese erste Sitzung gibt dem neuen Gebiet einen gewaltigen innern Aufschwung, äußeres Leben aber erhält es durch den Verkauf der Staats-Ländereien. Der Präsident macht, wenn er es für gut findet, die öffentliche Anzeige, daß an dem und dem Tage, von dem und dem Orte, die und die Ländereien werden verkauft werden. Er ernennt einen Registrator und einen Einwohner (register and receiver). Endlich erscheint der lang erwartete Tag – einer der wichtigsten für die kleine aufblühende Gesellschaft. Von dem Augenblick der öffentlichen Anzeige an ist das Land von Fremden angefüllt. Der Eine sucht Ländereien zur eigenen Niederlassung, der Andere für einen Sohn oder Schwiegersohn; noch Andere kaufen bloß aus Spekulation, um wieder zu verkaufen. Alle zerstreuen sich mit ihrem Kompaß im Lande umher, verfolgen die bezeichneten Linien, untersuchen den Boden. Jeder beobachtet das tiefste Stillschweigen, und immer geht Einer dem Andern aus dem Wege. Mancher hat vielleicht von einem der Messer das angebliche Geheimniß von den unbekannten Vortrefflichkeiten dieser oder jener Section erkauft. Unter dem Mantel verstecken sie kleine Plane mit mysteriösen Chiffern. Man spricht von nichts als von Ländereien, von ihren Eigenschaften, von ihrem wahrscheinlichen Preise u. s. w. Die Intrigue und der Betrug entfalten sich in ihrem höchsten Glanze.

Die angehende Hauptstadt, wo die Versteigerung Statt findet, hat seit der Sitzung des Rathes schon eine andere Gestalt bekommen. Ein Plan ist festgesetzt, die Straßen sind gereinigt, die Antheile auf Kredit verkauft, ein Capital ist decretirt worden. Für die Menge von Leuten, die man zu den Versteigerungen, zu den Sitzungen der Gerichtshöfe und des gesetzgebenden Rathes erwartet, werden Wirthshäuser errichtet, die den größten Theil des Jahres über leer stehen. Bei dieser Gelegenheit aber wird für dreißig Personen gedeckt. Zwei oder drei große Zimmer, die man kaum des Namens einer Scheune werth halten möchte, nehmen, in einem Dutzend Betten, zweimal so viel Gäste auf. Wer darin keinen Platz hat finden

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: Das Ausland. 1,2.1828. Cotta, München 1828, Seite 327. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Das_Ausland_(1828)_341.jpg&oldid=- (Version vom 4.8.2020)