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Das Ausland. 1,2.1828

Das Ausland.
Ein Tagblatt
für Kunde des geistigen und sittlichen Lebens der Völker,
mit besonderer Rücksicht auf verwandte Erscheinungen in Deutschland.

Num. 83. 23. März 1828.

Auszüge aus dem Berichte des Schiffers Turner von seinem Besuche auf den Sandwichs-Inseln.

(Im Juli 1827.)

Auf Anordnung des Marine-Departments der Vereinigten Staaten ward von der Flotille im stillen Meere der commandirende Schiffer Turner mit dem Kriegs-Cutter, the Peacock, beordert einige der Societäts-, der Sandwichs- und andere Inseln zu besuchen, wo die Kauffahrer der Vereinigten Staten anzulegen pflegen, um Lebensmittel einzunehmen, Schiffsschaden auszubessern und Handel zu treiben. Der wackre Seeman hatte zugleich den etwas schwierigen Auftrag, mit den etwa auf jenen Inseln herrschenden Oberhäuptern förmliche Verträge in Betreff der Sicherung des nordamerikanischen Handels abzuschließen. Er hat sich, nach dem Berichte seines Oberbefehlshabers, Commodore Hull, dieses Auftrags auf eine sehr befriedigende Weise entledigt. Ueber seine Kreuzzüge hat er mehrere Bruchstücke in verschiedenen nordamerikanischen Blättern mitgetheilt, vornämlich über die Sandwichs-Inseln, welche wir hier zusammenstellen. –

Keine Nation treibt so bedeutende und mannigfaltige Handelsgeschäfte auf allen Inseln des stillen Oceans und durch denselben hin nach China und Ostindien als die nordamerikanische – wir sagen alle Inseln, denn schwerlich gibt es eine entdeckte, wo nicht einmal ein Kauffahrer der Vereinigten Staaten angelegt hätte, um zu sehen, was dort zu machen sey. Mit einer Kühnheit, welche die erfahrensten Nautiker in Erstaunen setzen muß, durchirren diese Schiffer mit ihren leichten Fahrzeugen, vornämlich mit den in Baltimore gebauten Schoonern, welche ganz eigentlich für diesen Handel eingerichtet sind, die gefährlichsten Korallenriffe und Niederungen, und selten hört man daß ein Schiff Schaden gelitten hat; denn wo gibt es Matrosen, welche so sorgsam aufpassen, wie die Nordamerikaner? Aus den Inseln Australiens, sowie von der amerikanischen Nordwestküste, sammeln sich diese Kauffahrer die mannigfaltigen Waaren, welche auf den ostindischen Inseln und an den Küsten der chinesischen Reiche – die ihnen nicht verschlossen sind, weil sie alles für ihren Verkehr wagen – Absatz finden, und zugleich verbreiten sie mancherlei Bedürfnisse und Annehmlichkeiten der civilisirten Welt unter die Kinder der Natur, welche jene paradiesischen Eilande bewohnen. Da der Anblick eines Kriegsschiffs unter amerikanischer Flagge bei allen diesen Insulanern, selbst bei denen, welche, wie die auf den Sandwichs-Inseln, schon bewanderter in der Welt sind, vortheilhaft für die ab- und zugehenden Kauffahrer der Vereinigten Staaten wirkt, so war jener Kreuzzug, den Turner vollführte, von hoher Wichtigkeit. Die Russen, welche oft mit Fregaten jene Eilande besuchten, hatten dadruch den Oberhäuptern nicht wenig imponirt. Daß aber die Nord-Amerikaner ein großes Interesse haben, namentlich auf den Sandwichs-Insel als eine Seemacht zu gelten, erklärt schon der einzige Umstand, daß während des Jahres 1826 in dem einzigen Hafen Hannahrourah, dem Haupthandelsplatz auf den Sandwichs-Inseln, nicht weniger als 87 amerikanische Schiffe mit 2000 Seeleuten und einem Werth von 5 Millionen Dollars an Bord eingelaufen sind. Dieser herrliche, als Ankerplatz und zum Ausbessern beschädigter Schiffe höchst vorzügliche Hafen Hannahrourah auf der Insel Woahu, ist zugleich die Residenz der Regenten der sämmtlichen Sandwichs-Inseln und war das vorzüglichste Augenmerk Turners. Er fand mit seinem kleinen Kriegsschiffe die beste Aufnahme, und es gelang ihm den Vornehmen der Insel, – welche alle selbst Handel treiben, namentlich mit Sandelholz – begreiflich zu machen, daß sie von keiner Nation wohlfeiler und reichlicher mit europäischen Bedürfnissen versorgt werden können, als von den Amerikanern. Es scheint sogar zum Abschlusse eines schriftlichen Handelstractats gekommen zu seyn, doch werden dessen Bedingungen nicht näher mitgetheilt. Der wichtigste, einflußreichste Mann auf der ganzen Insel und am Hofe von Woahu ist der Premier-Minister Karaimoku, auch Billy Pitt genannt. Er diente bereits dem Könige Reho-Reho, der mit seiner Gemahlin Ka-mera-mera im Juli 1824 in England starb, und ist jetzt Vormund oder Stellvertreter des jungen Königs Keopulani (geboren 1814.) Dieser Premierminister am Hofe von Woahu ist wirklich ein Mann von überwiegendem Talente und beweist viel Scharfsinn und Einsicht in die Verhältnisse der Völker; als Rathgeber und Krieger war er von Jugend auf bei seiner Nation geachtet. Er ist ein wohlgestalteter, schöner Mann, 50 bis 60 Jahre alt, und geht gewöhnlich in einem Anzuge von bleifarbigem Seidenkamelot mit einer weißen Marseille-Weste und weißen seidenen Strümpfen. Dadurch, daß er selten oder nie dem unter dem Adel von Woahu allgemein herrschenden Laster der Trunkenheit fröhnt, zeichnet er sich vortheilhaft aus. Er spricht gut englisch und ist ein Mann von der heitersten Laune. Eines Abends trank der Premierminister, von einem seiner Freunde begleitet, bei Turner Thee.

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: Das Ausland. 1,2.1828. Cotta, München 1828, Seite 329. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Das_Ausland_(1828)_343.jpg&oldid=- (Version vom 4.8.2020)